Todesakt: Thriller (German Edition)
Edelstahl. Selbst aus der Entfernung machten weder Bosco noch Gant den Eindruck, als würden sie in Frieden ruhen.
Lena versuchte, auf dem nassen Boden nicht auszurutschen. Kosinski hob den Kopf und sah sie an. Er hatte mit Bosco angefangen und schien die Hälfte der Prozedur bereits hinter sich zu haben. Während er sich etwas auf einem Klemmbrett notierte, drehte sie sich zu Gant um und betrachtete seine Leiche. Ohne sich ihr Entsetzen anmerken zu lassen, malte sie sich aus, wie schwierig es für einen Vater gewesen sein musste, hier zu stehen und seinen Sohn zu identifizieren.
Da Gant nun unbekleidet war, konnte sie erkennen, dass die Blutergüsse sich nicht auf seinen Hals und seine Arme beschränkten. Die offenbar bei Prügeleien davongetragenen Verletzungen erstreckten sich über seine Schultern, die Brust und den Bauch und auch kreisförmig um den Lendenwirbelbereich herum. Die Oberschenkel wiesen ebenso Blessuren auf, fast als hätte er Tritte in den Schritt abgewehrt.
Lena hatte keinen Grund, an der Aussage von Gants Bruder zu zweifeln. Allerdings hätte sich die Warteschlange derer, die Gant nach dem Freispruch gerne eine verpasst hätten, vermutlich durch die ganze Stadt erstreckt.
Ein Bild stieg in ihr hoch. Cobb, wie er vor ihr saß, die Augen hinter der eigenartigen Brille verborgen. Sie erinnerte sich, wie still es im Raum geworden war, als sie den Detective gefragt hatte, ob er Gant geschlagen, ja, ob er ihn misshandelt habe. Wie die Vernehmungen wohl abgelaufen waren, ehe Gant Paladino als Anwalt angeheuert hatte. Sie hatte keine Mitschriften in der Fallakte entdeckt. Falls welche vorhanden waren, hatte sie sie wohl übersehen.
Sie schob den Gedanken beiseite und betrachtete die Überreste von Gants Gesicht. Die beiden Kugeln, die ihm die Augen weggepustet hatten, hatten inzwischen an Bedeutung gewonnen. Dass Gant ermordet worden war, weil er etwas entdeckt hatte, war inzwischen nicht mehr von der Hand zu weisen.
Kosinski stellte sich neben sie.
»Einige dieser Blutergüsse müssen mindestens zehn Tage alt sein, Lena. Schauen Sie sich die Farbveränderungen an.«
Sie nickte.
»Ich kann nicht bleiben, Sid. Warum haben Sie eigentlich mit Bosco angefangen?«
Kosinski blickte sie an und wies mit dem Kopf auf die Flügeltür hinter ihnen, die zum Flur führte. Lena spähte über seine Schulter. Oberstaatsanwalt Jimmy J. Higgins beobachtete sie durch die Glasscheibe und schien ein wenig nervös zu sein. Aber zumindest wusste sie nun, was aus dem Glas Vicks VapoRub geworden war. Sie sah, wie Higgins das Gel flächendeckend auf seinem Taschentuch verteilte und den Stoff über Mund und Nase breitete. Er hatte einen wilden Blick, als hätte er Leim geschnüffelt.
Kosinski senkte die Stimme.
»Angeblich hat er heute Abend eine Besprechung. Er will alle verfügbaren Informationen.«
»Warum kommt er nicht rein?«
»Weil er ein feiges Arschloch ist. Keine Ahnung, was er überhaupt hier will. Ich hätte ihn auch anrufen können.«
»Das liegt an Bosco«, erwiderte sie. »Sie waren Freunde.«
»Was für Freunde genau?«
Lena zuckte die Achseln.
»Tja, Higgins hat mich aufgefordert, etwas zu tun, das für mich nie und immer in Frage käme, Lena.«
»Sie sollen den Bericht frisieren«, erwiderte sie. »Und nicht erwähnen, was Sie in Boscos Nase sichergestellt haben.«
Kosinski bedachte sie mit einem langen Blick und nickte. »Wie kann ein Oberstaatsanwalt so etwas verlangen?«
Lena wünschte, Higgins’ Ansinnen hätte sie überrascht. Doch weit gefehlt. Wenn der Oberstaatsanwalt keine Skrupel hatte, den stellvertretenden Polizeichef unter Druck zu setzen, kannte er auch sicher kein Pardon, einen Rechtsmediziner zu Unregelmäßigkeiten anzustiften. Sie drehte sich unauffällig zu dem Staatsanwalt um, der inzwischen von der Scheibe weggetreten war und etwas in sein Mobiltelefon brüllte. Womöglich las er Vaughan gerade die Leviten. Oder hatte Cobbs Vorgesetzter wieder einen Anruf ins Netzwerk seiner »Freunde« getätigt und diesmal den Staatsanwalt kontaktiert, weil Freunde sich so verhielten?
Allerdings hatte Lena ihre eigenen Gründe, sich Gedanken über den Kokainfund im Club 3 AM zu machen.
Sie verstand noch immer nicht, warum Dante Escabar das Rauschgift am Tatort nicht beseitigt hatte. Denn seine Erklärung, er habe es übersehen, da er unbedingt die Inhaber informieren und die Gäste schützen musste, klang nicht glaubhaft. Die Menge allein gab Anlass zu ernsthaften Zweifeln. Denn ein
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