Todesakt: Thriller (German Edition)
Fußboden.
»Vielleicht habe ich die Frage ja nicht verstanden«, entgegnete er.
»Vielleicht. Allerdings war sie nicht allzu schwierig. Erzählen Sie mir bitte, worum es bei dem Streit ging.«
Hight zuckte die Achseln.
»Ich habe beobachtet, wie er über den Zaun gesprungen ist, und ihn aufgefordert, mein Grundstück nicht zu betreten.«
»Und das war alles?«
Er nickte.
»Mehr oder weniger.«
»Ich glaube Ihnen nicht, Mr Hight.«
»Das ist Ihr Problem, nicht meins, junge Frau.«
»Haben Ihre Anwälte Ihnen geraten, sich so zu verhalten?«
»Ich habe sie nicht angerufen.«
In seinem Tonfall schwang etwas Herablassendes mit. Trotz.
»Sie können das nicht allein durchstehen«, sagte Lena. »Es ist nämlich sehr wohl Ihr Problem. Sie haben ein sehr großes Problem und brauchen einen Rechtsbeistand. Darauf haben Sie einen Anspruch.«
Aber er hörte ihr nicht zu. Ja, er brauchte einen Rechtsbeistand. Doch außerdem brauchte er eine Dusche, eine Rasur und saubere Kleider.
Endlich wandte Lena den Blick ab und musterte das Zimmer. Auf fast jeder Fläche war Fingerabdruckpulver, weil es auf ihre gestrige Bitte hin noch einmal untersucht worden war. So seltsam es auch erscheinen mochte, hatten die Hights das Zimmer ihrer Tochter nicht in ein Mausoleum verwandelt.
»Sie halten sich öfter hier auf«, sagte Lena.
Hight schüttelte den Kopf.
»Ich habe seit Lilys Tod keinen Fuß mehr in dieses Zimmer gesetzt. Hin und wieder treffe ich meine Frau hier an. Ich weiß nicht, was sie tut.«
Lena nahm ein Paar Handschuhe aus ihrem Aktenkoffer und ging zur Kommode. Gestern hatte sie nach einer Waffe gesucht. Heute kam es ihr nur auf eine Bestätigung ihrer Theorie an. Sie holte aus der obersten Schublade eine Kamera heraus und drückte auf P ower . Das Gerät ließ sich zwar einschalten, doch nur, um anzuzeigen, dass der Akku aufgeladen werden musste und die Speicherkarte leer war. Nach zehn Sekunden wurde das Display schwarz, und das Gerät schaltete sich ab.
»Hat Ihre Tochter gern fotografiert?«
»Sie wollte es zu ihrem Beruf machen«, antwortete Hight. »Das Foto über dem Bett ist von ihr.«
Lena sah es sich aus der Nähe an. Es war eine Landschaftsaufnahme in Schwarzweiß, die einen Strand von der Kante einer Klippe aus zeigte. Das Objektiv war direkt auf die Felsen und den Sand gerichtet, und die Blende hatte sich gerade in dem Moment geschlossen, als eine Welle gegen das Ufer schlug. Auffallend war der niedrige Winkel, in dem das Sonnenlicht den Strand streifte – die Komposition des Bildes.
»Ihre Tocher hatte einen geschulten Blick.«
»Sie war ihrem Alter weit voraus.«
»Was ist aus ihren übrigen Arbeiten geworden?«
»Cobb hat nach Gants Verhaftung ihren Computer mitgenommen. Als wir ihn endlich zurückbekamen, habe ich die Fotos überspielt und die Festplatte gelöscht.«
»Waren es alles Landschaften, Mr Hight? Oder hat sie auch Personen fotografiert?«
Lena musterte ihn forschend. Hight ließ sich nichts anmerken – seine Miene blieb unbewegt.
»Sowohl als auch«, antwortete er.
»War etwas Ungewöhnliches dabei?«
»Eigentlich nicht.«
Er schwieg, doch Lena glaubte nicht, dass er noch etwas hinzufügen würde.
»Wo genau haben Sie sie in der Mordnacht gefunden?«
»Genau dort, wo Sie jetzt stehen.«
Lena betrachtete die Stelle, wandte sich zum Fenster um und hielt Ausschau nach den Abdrücken des Sessels auf dem Teppich. Sie schob den Sessel hinüber, drehte ihn zum Fenster um und spürte, wie sich die Sesselbeine in die Kuhlen einpassten. Als sie hinüberschaute, erkannte sie Jacob Gants Zimmer und seinen Sessel am angestammten Platz vor dem Fenster.
»Uns gefällt es besser, wie es war«, meinte Hight.
»Doch in der Mordnacht stand der Sessel hier. Er stand schon so lange an dieser Stelle, dass er Spuren im Teppich hinterlassen hat.«
»Offenbar.«
»Was haben sie mit dem Sessel gemacht, als Sie das Zimmer reinigen ließen?«
»Das war nicht nötig. Die Blutflecke waren nur drüben beim Bett.«
»Und das Fingerabdruckpulver«, ergänzte sie.
»Ja, das auch.«
Lena kniete sich hin, um das Sitzpolster zu begutachten, wendete es und betrachtete die Unterseite. Als sie das Gesuchte gefunden hatte, kehrte sie zur Kommode zurück und öffnete die zweite Schublade. Obwohl sie ziemlich sicher war, wollte sie sich vergewissern, dass ihr Gedächtnis sie nicht trog. Das war nicht die Unterwäsche eines halbwüchsigen Mädchens, das waren die Dessous einer Frau. Erst nachdem Lena
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