Todesakt: Thriller (German Edition)
Beigeschmack. Lily und Gant trieben Spielchen, zu denen Nacktfotos und allabendlicher Telefonsex in einem Sessel am Fenster gehörte.
Und vielleicht hatte Lilys Vater sie in der Dunkelheit beobachtet …
Die Vorstellung von so viel Verderbtheit jagte Lena einen Schauder über den Rücken. Doch noch mehr machte ihr zu schaffen, wie Cobb, Bennett und Watson das hatten übersehen können.
Die Aufzugtür öffnete sich, und Lena ging den Gang entlang zu Vaughans Büro. Schon nach wenigen Schritten hörte sie Geschrei und erkannte die Stimme von Steven Bennett. Bennett war offenbar in Vaughans Büro. Die Tür war geschlossen, und Vaughans Sekretärin saß nicht an ihrem Schreibtisch im Vorzimmer. Eine dampfende Teetasse stand neben ihrem Computer. Also war sie offenbar gerade hinausgegangen. Eine Zeitung lag auf dem Schreibtisch.
Es war die Los Angeles Times von heute. Und offenbar hatten zwei Journalisten einen Artikel über den Prozess gegen Jacob Gant verfasst und Bennett, Watson und Higgins als absolute Versager dargestellt. In einer Ankündigung über der Schlagzeile hieß es, dass es sich um den Anfang einer Serie handelte, die auf fünfzehn Wochen angelegt war.
Und noch schlimmer: Der Artikel war oben auf Seite eins platziert und erstreckte sich über fast den gesamten ersten Teil der Zeitung. Die Seite drei zierten Fotos von Lily Hight, Jacob Gant und Johnny Bosco, eingerahmt von Bildern von Bennett, Watson und Higgins und dem obersten Chef der Kriminaltechnik, Howard Kendrick, den Lena nur vom Sehen kannte. Daneben wies ein großer Pfeil auf Fotos von Lena und Vaughan. Oberstaatsanwalt Higgins und Konsorten gehen eilig in Deckung, nachdem man ihnen zwei neue Sündenböcke vorgesetzt hat – oder kommen da noch mehr Opfer? lautete die Bildunterschrift.
Lena legte die Zeitung zurück auf den Schreibtisch.
Wenn Higgins allen Ernstes glaubte, die Verantwortung für den Skandal bei Vaughan abladen zu können, hatte er sich verrechnet. Der Staatsanwalt und seine Schützlinge waren enttarnt worden und würden in den nächsten Wochen alle Hände voll damit zu tun haben, ihren Untergang abzuwenden. Doch noch mehr machte Lena zu schaffen, dass die Serie Tim Hights Ansehen als Vater erhöhte, weil er mit dem Mord an Gant seine Bürgerpflicht erfüllt hatte. Die Journalisten ahnten nicht, dass sie mit ihren Enthüllungen der Prozessfehler Lenas Ermittlungen gegen Hight behinderten und damit allen Beteiligten schadeten.
Bennett schrie Vaughan immer noch an. Ohne zu zögern, riss Lena die Tür von Vaughans Büro auf und ging hinein. Bennett wirbelte herum. Sein Gesicht war dunkelviolett angelaufen, und an seinem Hals traten Adern so dick wie Taue hervor.
»Raus, aber ein bisschen plötzlich!«, zischte er.
Vaughan schlug mit der Faust auf den Tisch.
»Jetzt kommen Sie mal runter von der Palme, Bennett. Nehmen Sie sich zusammen. Niemand will was von Ihnen.«
Bennett fuhr sich über den Kopf. Er wirkte wie benommen, ja, beinahe durchgeknallt. Ohne auf Vaughan zu achten, stürmte er auf Lena zu und blieb nur wenige Zentimeter vor ihr stehen. Es kostete sie ihre gesamte Willenskraft, nicht zurückzuweichen.
»Ich wusste, dass Sie beide nichts als Scheiße bauen würden«, sagte er.
Er wirkte kopflos. Beim Sprechen sprühte er Speichel, seine Lippen zitterten, und der Schweiß rann ihm übers Gesicht. Lena erkannte die Panik in seinen smaragdgrünen Augen – blinde Wut, vermischt mit Angst.
Die Augen einer Schlange.
»Ich wusste, dass Sie beide nichts als Scheiße bauen würden«, wiederholte er. »Sie reden mit den falschen Leuten. Sie stellen die falschen Fragen. Sie machen mir mein Leben kaputt.«
Offenbar war Vaughan nun mit seiner Geduld am Ende. Er trat auf sie zu.
»Niemand macht Ihr Leben kaputt, Steven. Wenn Sie sich weiter so aufführen, kriegen Sie noch einen Herzinfarkt. Sie riskieren Leben und Gesundheit, und das ist die Sache nicht wert. Also verschwinden Sie aus meinem Büro und beruhigen Sie sich.«
Bennett ignorierte ihn weiter und fuhr fort, Lena zu bedrängen. Er bebte vor Hass. Obwohl er ein gutes Stück kleiner war als sie, war er breit und kräftig gebaut, und nun trat er noch einen Schritt auf sie zu, sodass seine Nase fast ihr Kinn berührte. Lena ließ ihn nicht aus den Augen und bemühte sich um einen sanften Tonfall, der so mühelos dahinglitt wie ein Zug auf nagelneuen Schienen.
»Was jetzt, Bennett? Wollen Sie mir eine verpassen?«
Im ersten Moment reagierte er, als hätte er sie
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