Todesakt: Thriller (German Edition)
Gericht präsentierten Laborergebnisse überzeugen können, denn schließlich waren diese nun nicht mehr nachprüfbar.
Lena hatte die Laborberichte in Cobbs Fallakte gesehen. Paladino mochte ein Meister darin sein, Geschworene zu beeinflussen, doch sie zweifelte keinen Moment daran, dass die vom Labor genommenen und analysierten Spermaproben echt waren und eindeutig von Gant stammten. Wenn Gant also die Wahrheit sagte, war das Vorhandensein seines Spermas bei dem Opfer nur natürlich und bewies noch lange nicht, dass er das Opfer vergewaltigt, misshandelt und ermordet hatte. Die Tat hätte auch jemand anders verüben können, nachdem Gant längst das Haus verlassen hatte.
Doch für Lena stützte sich die Anklage ebenso auf den mutmaßlichen Todeszeitpunkt.
Das Zeitfenster war sehr klein, höchstens zwei Stunden, genauer konnte man es nicht eingrenzen. Soweit Lena feststellen konnte, basierten die Berechnungen weniger auf wissenschaftlichen Untersuchungen oder Indizien als auf den Aussagen von Jacob Gant und Tim Hight. Die Uhr begann ab dem Zeitpunkt zu laufen, als Gant angeblich das Haus des Opfers verließ, und endete, als Hight ihre Leiche fand. Das war der Zeitrahmen, auf den sich die Anklage stützte, denn beide Männer waren vor Ort gewesen.
Lena ging durch das Untergeschoss des Parker Center und warf einen Blick durch die Panzerglasscheibe der Asservatenkammer, es gab zwei, die eher an eine Bank kurz vor der Pleite erinnerten. Ein Mann füllte an einem der beiden Tische neben der Tür ein Formular aus, während ein anderer an der Theke wartete und beobachtete, wie die Sachbearbeiterin, eine ältere Frau hinter einer Barriere aus beigem Drahtgeflecht, sein Päckchen in eine Liste eintrug. Beide Männer waren Detectives, doch Lena kannte sie nicht.
Obwohl niemand aufblickte, als sie den Raum betrat, hielt sie den Kopf gesenkt, wandte ihnen den Rücken zu und stellte sich vor den zweiten Tisch, um das Ausgabeformular auszufüllen. Da die Beweisstücke im Computer verzeichnet waren, würde jeder, der genauer hinschaute, Lunte riechen und konnte ihr und Vaughan eine Menge Ärger machen. Doch sie schob ihre Befürchtungen beiseite.
Lena war nicht auf der Suche nach Blut, Sperma, ja, auch nicht nach Speichelrückständen, denn die würde sie nicht finden. Nach den Tatortfotos zu urteilen, waren Lilys Jeans und Stiefel einen guten Meter entfernt von der Leiche achtlos auf den Fußboden geworfen worden.
Vielmehr war Lena an Hautzellen interessiert, die der Täter möglicherweise hinterlassen hatte, als er Lily gewaltsam Jeans und Stiefel vom Leib riss.
Und dieser Einsatz von Gewalt war der springende Punkt, denn es mussten lebende Hautzellen sein. Ohne Gewaltanwendung reichte die DNA nicht, um den Übertragungsweg nachzuweisen.
Während Lena das Antragsformular ausfüllte, die Fallnummer eintrug und über ihrer Dienstnummer unterschrieb, dachte sie, dass es zwar die richtige Entscheidung, aber ein Vabanquespiel war. Und dabei stand noch nicht einmal fest, ob es ihr gelingen würde, Martin Orth zum Mitmachen zu überreden. Er konnte die Tests nur heimlich durchführen und würde damit seine Karriere gefährden – und ausgerechnet jetzt, da das kriminaltechnische Labor sowieso schon im Kreuzfeuer der Kritik stand.
Und wofür?
Sie hätte Vaughan reinen Wein einschenken und ihm sagen sollen, dass sie eine Verzweiflungstat plante. Darauf ließ man sich nur ein, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft waren, in der Hoffnung, dass der Täter in seiner Raserei Hautschuppen verloren hatte.
Lena drehte sich zur Theke um und sah die alte Frau hinter dem Maschendraht an. Einer der beiden Männer lächelte ihr im Hinausgehen zu. Der zweite Detective gab gerade ein Päckchen mit Beweisstücken zurück. Nachdem er draußen war, schob Lena ihr Formular durch den Schlitz und wartete, während die Sachbearbeiterin ihre Brille zurechtrückte und die Fallnummer in den Computer eintippte.
»Lily Hight«, sagte die alte Frau schließlich. »Ihr Daddy hat den Kerl doch erledigt. Wozu brauchen Sie die Sachen noch?«
Lena merkte der Sachbearbeiterin an, dass sie allmählich argwöhnisch wurde. Aus ihrem Kopf, ihr Haar wirkte wie eine billige Perücke, schien eine Antenne auszufahren. Eigentlich brauchte Lena sich nicht für ihre Anfrage zu rechtfertigen. Andererseits war der Fall möglicherweise mit einem Warnvermerk versehen, und Lena wollte nicht, dass die alte Frau zum Telefon griff.
»Ich muss für meinen Chef eine
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