Todesakt: Thriller (German Edition)
zurück. Etwas störte sie an der Art, wie Bennett, Watson und, ja, sogar Higgins das Foto musterten. Obwohl sie keine Gedankenleserin war, wurde sie den Eindruck nicht los, dass die drei nur Interesse heuchelten. So viel Mühe sie sich auch gaben, sie wirkten nicht überzeugend. Bennett hatte smaragdgrüne Augen und war klein und gedrungen. Er war zwar alt genug, um noch in einer Zeit aufgewachsen zu sein, in der »Superzize Me« nach einem tollen Sonderangebot, nicht nach Junkfood geklungen hatte, aber dennoch so jung, dass er zwei Kinder im Kindergartenalter und deshalb Sorgen hatte, was wohl aus ihm und seiner Frau werden sollte, falls seine Karriere den Bach runterging. Watson strahlte die gleiche eigenartig unbeteiligte Stimmung aus. Sie war etwa so alt wie Lena und blond und verbarg ihre schlanke Figur unter einem Hosenanzug. Lena hatte sie bis jetzt nur konservativ gekleidet erlebt, auch wenn einige Gerüchte über sie im Umlauf waren: Angeblich hatte sie sich im letzten Jahr während ihres Urlaubs die Brüste vergrößern lassen, und außerdem hieß es, sie und Bennett hätten eine Affäre – angeblich einer der vielen Gründe, warum sie den Prozess gegen Jacob Gant verloren hatten und der Mörder ungestraft davongekommen war.
Als Lena Higgins betrachtete, der einen Nadelstreifenanzug trug und ein wichtigtuerisches Gesicht machte – seine schwammigen, wenig einprägsamen Züge und die übertrieben aufgebauschte Frisur, die verdächtig nach Föhnwelle aussah –, fiel es ihr plötzlich wie Schuppen von den Augen.
Die drei wollten den Rückzug antreten und es Greg Vaughan überlassen, die Kastanien für sie aus dem Feuer zu holen. Higgins hatte seinen Rivalen mit dem Fall beglückt, wohl wissend, dass er jedem dafür zuständigen Staatsanwalt das Genick brechen würde.
Ein Staatsanwalt, der die Anklage gegen den Vater eines ermordeten Mädchens vertrat, bekam in Los Angeles politisch keinen Fuß mehr auf den Boden.
Higgins hatte Vaughan zum Bauernopfer bestimmt, nicht etwa um seine Behörde zu retten, sondern um sein eigenes Gesicht und möglicherweise auch das seiner Schützlinge zu wahren – Steven Bennett und Debi Watson. Vaughan hingegen würde als der Ankläger von Tim Hight in die Geschichte eingehen, eines Vaters, der nur sein einziges Kind hatte rächen wollen. Über die Staatsanwälte, die den Prozess vermasselt hatten, oder ihren Vorgesetzten, der sie eigentlich hätte beaufsichtigen sollen, verlor dann niemand mehr ein Wort.
Es war ein eiskalter und böswilliger Schachzug. Als Lena Higgins beobachtete, fragte sie sich, ob er wohl die letzte Nacht damit verbracht hatte, die Einzelheiten mit seinen Wahlkampfberatern auszukungeln. Denn das wäre eine Erklärung, warum er am Tatort durch Abwesenheit geglänzt hatte – umso seltsamer, weil eines der Opfer angeblich ein Freund gewesen war.
Als Lena sich abwandte, bemerkte sie, dass der stellvertretende Polizeichef sie musterte. Obwohl seiner Miene nichts zu entnehmen war, hatte sie das Gefühl, dass er wusste, was in ihr vorging. Er schob einen zweiten Abzug des Fotos zu ihr hinüber und räusperte sich.
»Wir erwarten von Ihnen Folgendes, Detective. Sie und Mr Vaughan sind jetzt Partner. Sie müssen zusammenarbeiten, damit die Anklage gegen Tim Hight auch wirklich wasserdicht ist – und zwar schnell und möglichst geräuschlos. Hights Verhaftung muss ohne Zwischenfall vonstattengehen. Der Oberstaatsanwalt hat sicher noch keine Gelegenheit gehabt, sich Gedanken über eine mögliche außergerichtliche Einigung zu machen. Allerdings dürfen wir den Mord an Bosco nicht außer Acht lassen, was die Dinge für alle Beteiligten verkompliziert. Ihre Beweise müssen unumstößlich sein, sodass Hight und sein Anwalt sie nicht vom Tisch wischen können. Dazu noch ein überzeugendes Angebot von der Staatsanwaltschaft, und sie werden auf einen Prozess verzichten. Zugegeben, wir sprechen hier über den bestmöglichen Ausgang. Hight wird die Öffentlichkeit auf seiner Seite haben. Also ist es mehr als wahrscheinlich, dass er sein Glück vor den Geschworenen versucht. Die Leute werden sagen, dass es nie so weit gekommen wäre, wenn wir nicht geschlafen, sondern unsere Arbeit gemacht hätten. Dass wir die Sache in den Sand gesetzt haben. Also sieht es ziemlich gut für ihn aus. Die Chancen stehen gut, dass er einen Prozess gewinnen würde. Und deshalb möchte ich hinzufügen, dass das Schlüsselwort Geschwindigkeit lautet. Die Anklage gegen ihn muss so schnell
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