Todesangst
riß Howard am Seil - nichts. Carol hob verängstigt den Kopf und sagte dann: »Er kommt schon näher!«
Während der nächsten fünfzehn Sekunden etwa zerrte Howard wieder und wieder an dem Startseil, den Blick auf das sich immer mehr nähernde Boot ihres Verfolgers gerichtet. Er prüfte nochmals, daß der Ganghebel auf »Start« stand, und versuchte ein weiteres Mal vergeblich, den Motor anzuwerfen. Seine Augen fielen auf den Benzintank, von dem er nur hoffen konnte, daß er gefüllt war. Der schwarze Verschlußdeckel schien lose, und so schraubte er ihn fest zu. Dann entdeckte er einen Hebel an der Seite und nahm an, daß dieser vielleicht dazu da sei, den Druck im Tank zu erhöhen. Also drückte er ihn ein paarmal nach unten und spürte, daß das immer schwerer ging. Als er aufblickte, sah er das Kanu schon ganz nahe.
Noch einmal riß Howard am Startseil, und endlich sprang der Motor röhrend an. Da sie rückwärts trieben, legte Howard den Rückwärtsgang ein, gab Vollgas und warf sich wieder auf den Boden des Bootes, Carol unter sich begrabend. Wie er erwartet hatte, fielen sofort ein paar weitere Schüsse, von denen zwei das Schlauchboot trafen. Als er seinen Kopf wieder zu heben wagte, sah er, daß der Abstand zu dem Kanu sich erheblich vergrößert hatte - in der Dunkelheit war es kaum noch zu erkennen.
»Liegen bleiben!« befahl er Carol, während er selbst versuchte, sich ein Bild von dem durch die Einschüsse angerichteten Schaden zu machen. Eine Luftkammer auf der rechten Bugseite war schlaff und desgleichen eine auf der linken Längsseite. Ansonsten schien das Boot unbeschädigt. Howard kroch wieder zum Motor, schob den Gashebel zurück, schaltete dann in den Vorwärtsgang und griff zur Ruderpinne, um das Boot stromabwärts und zur Flußmitte zu steuern. Das letzte, was ihm jetzt noch gefehlt hätte, wäre ein Aufprall auf Felsen gewesen.
»In Ordnung«, rief er dann Carol zu, »ich glaube, jetzt können wir uns hinsetzen!«
Sie erhob sich schwankend vom Boden des Bootes und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Ich kann kaum glauben, daß das Wirklichkeit ist«, schrie sie über das Dröhnen des Außenbordmotors hinweg. »Und was machen wir jetzt?«
»Wir fahren den Fluß hinunter, bis wir einen bewohnten Platz finden. Es wird ja noch ähnliche Anlagen wie die hier den Fluß entlang geben.«
Während sie weiterfuhren, fragte sich Howard allerdings, ob es vernünftig sei, an einem anderen beleuchteten Steg anzulegen. Es konnte ja sein, daß ihr Verfolger sich in sein Auto gesetzt hatte und am Ufer entlang den Fluß abfuhr. Vielleicht sehen wir ein Licht auf der gegenüberliegenden Seite, hoffte er.
Indem er sich an den Silhouetten der das Ufer säumenden Bäume orientierte, versuchte Howard ihre Geschwindigkeit abzuschätzen. Dabei fiel ihm auf, daß jetzt der Fluß wieder schmäler wurde und damit auch, wie er an der etwas zunehmenden Geschwindigkeit merken konnte, die Strömung stärker. Eine halbe Stunde war nun vergangen, doch noch immer hatten sich keine Lichter am Ufer gezeigt. Da war nur dunkler Wald und darüber ein besternter, aber mondloser Himmel.
»Ich sehe nicht das geringste«, rief Carol.
»Ist schon gut«, meinte Howard beruhigend.
Nach einer weiteren Viertelstunde Fahrt traten die Bäume an den Ufern fast plötzlich nahe zusammen; offensichtlich war hier das Ende der seeartigen Verbreiterung. Als er nun näher an den Bäumen vorbeifuhr, bemerkte Howard auch, daß er die Geschwindigkeit - er war, ehe die Strömung zugenommen hatte, von starker Schrittgeschwindigkeit ausgegangen - erheblich unterschätzt hatte. Nun griff er nach hinten und nahm Gas zurück. Als daraufhin der Motor leiser wurde, konnte er nun ein anderes, ein unheilverkündendes Geräusch hören - das brausende Geräusch von Wasser nämlich, das sich durch eine Stromschnelle zwängt oder über Felsen hinabstürzt.
»Ach, du lieber Himmel«, murmelte Howard vor sich hin, und der Wasserfall oberhalb des ›Salmon Inn‹ stand ihm vor Augen. Er wendete das Boot in Richtung Ufer und gab wieder Vollgas. Zu seiner Verblüffung und seinem Schrecken aber wurde das Boot zwar langsamer, doch seine Fahrt den Fluß hinunter wurde nicht aufgehalten. Statt dem Ufer näher zu kommen, trieb es quer zum Fluß diesen weiter abwärts. Und dann brach die Hölle los. Der Fluß verengte sich zu einer felsigen Schlucht, und sie wurden unwiderstehlich dort hineingezogen.
Auf der Oberseite der Gummiwülste des Schlauchbootes war
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