Todesangst
eine Grafik, welche die Überlebensquote der GHP-Kunden in Beziehung setzte zu ihrem Lebensalter. Wie zu erwarten war, hatten die GHP-Kunden mit dem höchsten Lebensalter die niedrigste Überlebensrate.
Das Durchschnittsalter der GHP-Kunden war während der letzten fünf Jahre gestiegen - die Lebenserwartungsrate war jedoch gleichgeblieben.
Nun wollte Dr. Howard vom Computer Monatskurven für das letzte Halbjahr haben. Wie er befürchtet hatte, war ein deutlicher Anstieg der Todesfallrate für Patienten Ende Fünfzig und Anfang Sechzig festzustellen, besonders während der letzten drei Monate.
Plötzlicher Lärm draußen ließ ihn aus seinem Stuhl auffahren, aber als er in den Gang hinausschaute, sah er, daß es nur der Putztrupp war.
Beruhigt kehrte Dr. Howard an seinen Computer zurück. Er hätte sich gewünscht, die Daten jener Patienten auszusondern, bei denen man eine Generaluntersuchung durchgeführt hatte, aber er wußte nicht, wie er das anstellen sollte. Statt dessen mußte er sich mit groben Todesfallraten begnügen. Diese Kurven setzten prozentual die Sterblichkeitsquote in Beziehung zum Lebensalter. In diesem Fall verlief die Kurve umgekehrt. Sie begann tief unten, und mit steigendem Lebensalter stieg auch der Prozentsatz der Todesfälle. Aber dann forderte der Arzt Kurven ab für die vergangenen Monate, Monat für Monat. Die Ergebnisse waren ganz auffällig, besonders für die letzten beiden Monate: die Todesfallkurven stiegen von den etwa Fünfzigjährigen an ganz enorm.
Der Arzt saß noch etwa eine halbe Stunde lang vor dem Terminal und versuchte das Gerät so zu programmieren, daß es ihm die Daten für Patienten mit Generaluntersuchungen gesondert auswarf. Er erwartete, falls er das schaffen würde, den Nachweis einer stark steigenden Todesfallquote für Patienten im Alter von Fünfzig und darüber, die hohe Risikofaktoren aufwiesen wie etwa Rauchen, Alkoholmißbrauch, ungünstige Eßgewohnheiten und zuwenig körperliche Betätigung. Aber diese Daten waren nicht verfügbar. Sie waren nicht eingespeichert worden, um irgendwann einmal geschlossen abgerufen zu werden. Dr. Howard mußte wohl jeden einzelnen Patienten daraufhin überprüfen, um sich entsprechende Daten zu beschaffen, doch dafür fehlte ihm die Zeit. Außerdem reichten ihm bereits die groben Todesfallkurven zur Bestätigung seines Verdachtes. Er wußte jetzt, daß er recht hatte. Aber es gab noch eine andere Möglichkeit, das zu beweisen. Mit Beklommenheit verließ er sein Büro und ging zu seinem Wagen zurück.
Er fuhr die Uferstraße entlang nach Roslindale hinaus. Je näher er kam, desto unbehaglicher wurde es ihm. Er hatte zwar keine rechte Vorstellung davon, was ihm dort begegnen würde, aber angenehm würde es jedenfalls nicht sein. Sein Ziel war die Hartford-Schule, jene Institution, die von GHP für zurückgebliebene Kinder betrieben wurde. Wenn Alvin Hayes in bezug auf die ihm geltende Bedrohung recht gehabt hatte, dann mußte dies auch für seinen zurückgebliebenen Sohn gelten. Das Gelände der Hartford-Schule grenzte an das Arnold Arboretum, einen weitläufigen botanischen Garten mit idyllischen Waldungen, Feldern und Teichen. Dr. Howard fuhr auf den fast leeren Parkplatz und hielt dort in nächster Nähe des Eingangs an. Das ansehnliche Gebäude im Kolonialstil machte einen täuschend heiteren Eindruck, der die Familientragödien, mit denen es sich verband, Lügen strafte. Erheblich zurückgebliebene Kinder waren eine schwere Belastung, mit der selbst Menschen, die beruflich damit zu tun hatten, oft nur schwer fertig wurden. Der Arzt konnte sich gut daran erinnern, wie er einige der Kinder bei früheren Besuchen untersucht hatte. Äußerlich waren sie oft hübsch und gutaussehend, doch das bewirkte nur, daß man ihre mangelnde geistige Entwicklung und Befähigung um so schmerzlicher empfand.
Die Eingangstür war zu und abgeschlossen. Der Arzt klingelte. Schließlich wurde die Tür von einem übergewichtigen Wachmann in einer schmutzigen blauen Uniform geöffnet.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?« fragte er in einem Ton, der deutlich machte, daß er dazu nicht die geringste Lust verspürte.
»Ich bin Arzt«, sagte Dr. Howard und versuchte forsch an dem Mann vorbeizugehen. Doch der machte einen Schritt rückwärts und vertrat ihm den Weg.
»Tut mir leid, Doktor«, sagte er, »keine Besuche nach sechs Uhr abends.«
»Ich gelte wohl kaum als Besucher«, meinte Dr. Howard und zog seinen GHP-Sonderausweis heraus.
Der
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