Todesangst
Bravorufe. Kaum war Carol Donner jedoch verschwunden, breitete sich wieder das Gefühl lähmender Langeweile aus. Dr. Howard wartete darauf, daß sie sich wie die anderen Mädchen auch unter die Besucher mische, aber sie kam nicht. Daher trat er, nachdem er zwanzig Minuten lang vergeblich nach ihr Ausschau gehalten hatte, auf den Mann mit der Sonnenbrille zu. Einer der Muskelmänner machte sich schon bereit, ihm den Weg zu versperren, doch Dr. Howard fragte höflich: »Verzeihung, besteht vielleicht die Möglichkeit, mit Carol Donner zu sprechen?«
Der Mann nahm die Zigarre aus dem Mund und fragte: »Wer sind denn Sie, zum Teufel?« Howard zögerte, seinen wahren Namen zu nennen, und während er noch überlegte, gab der Mann mit der dunklen Brille einem der Rausschmeißer ein Zeichen. Howard fühlte sich von kräftigen Händen am Arm gepackt und zur Tür gedrängt. »Aber ich wollte doch nur…« Mehr zu sagen hatte er keine Gelegenheit. Man schleifte ihn mehr als man ihn führte zum Eingang, und mit einem widerlichen Gefühl der Erniedrigung fand er sich auf die Straße hinausbefördert.
5
Nachdem ihn sein Wecker aus dem Schlaf geklingelt hatte, mußte sich Jason Howard erst einmal ein paar Minuten lang unter den kräftigen Strahl der Dusche stellen, ehe er dem Tag ins Auge sehen konnte. Am Abend vorher war er, nachdem er von seinem höchst unangenehm beendeten Besuch im ›Club Cabaret‹ nach Hause zurückgekehrt war, noch einmal ins Krankenhaus gerufen worden. Einer von seinen AIDS-Patienten, ein Mann namens Harvey Rachman, war eingeliefert worden. Als Howard in der Klinik eintraf, war man bereits mit Wiederbelebungsversuchen beschäftigt. Sie setzten ihre diesbezüglichen Bemühungen noch zwei Stunden lang fort, ehe sie sich geschlagen geben mußten. Die Bemerkung der Oberschwester, daß der Mann wenigstens nicht mehr hatte leiden müssen, war kein sonderlicher Trost für einen niedergeschlagenen Dr. Howard gewesen. Ein weiteres Mal bedrückte ihn das Gefühl, daß er im Kampf mit dem Tod den kürzeren gezogen hatte.
Im Laufe des Vormittags war dann bei seinem Rundgang bei den in der Klinik befindlichen Patienten das einzig Positive, daß man eines der an Gelbsucht erkrankten Mädchen entlassen konnte. Howard bedauerte das fast, denn nun verblieb ihm nur noch ein einziger Patient, der auf dem Wege der Genesung war.
Auf der Herzstation nämlich ging es Matthew Cowen kein bißchen besser. Zusätzlich zu den bisherigen Beschwerden klagte er nun auch noch über Sehstörungen. Dieses Symptom alarmierte Dr. Howard; auch Harring und Lennox hatten über Doppelsichtigkeit in den Wochen vor ihrem Tod geklagt, und erneut zog die Furcht vor einer unbekannten, den ganzen Organismus befallenden Krankheit durch seine Gedanken. Er ordnete die Untersuchung durch einen Augenspezialisten an. Nachdem Howard seinen Rundgang beendet hatte, eilte er in die Pathologie-Abteilung, um dort zu fragen, wie es inzwischen mit den Schnittpräparaten von Hayes stünde. Vielleicht konnten sie eine Erklärung dafür liefern (oder wenigstens zu einer Erklärung dafür beitragen), warum so viele scheinbar gesunde Leute plötzlich einen tödlichen Zusammenbruch des Herz-Kreislauf-Systems erlitten.
Howard mußte sich einen Augenblick gedulden, während sein Kollege das Ergebnis einer Gefrierschnitt-Untersuchung telefonisch durchgab. Es ging um eine Brust-Biopsie, und das Ergebnis war positiv.
»Da fühle ich mich immer ganz übel dabei«, bekannte der Pathologe, nachdem er aufgelegt hatte. Dann fügte er, mit weniger bedrückter Stimme, hinzu: »Sie kommen bestimmt wegen der Präparate von Hayes.« Er kramte ein bißchen auf seinem Schreibtisch herum, bis er den richtigen Umschlag fand. Ihm entnahm er einen Objektträger, schob ihn unter das Mikroskop und sagte zu seinem Kollegen: »Schauen Sie sich erst mal das da an!«
Während Howard durch das Mikroskop sah, erklärte ihm der Pathologe: »Das ist die Hauptschlagader von Alvin Hayes.« Der Zellzerfall war selbst für das ungeschulte Auge von Dr. Howard klar erkennbar. »Kein Wunder, daß diese platzte«, fuhr Dr. Madsen fort. »Ich habe noch niemals derartige Veränderungen bei irgend jemandem unter siebzig gesehen, ausgenommen es lag eine gesicherte Erkrankung vor. Und jetzt zeige ich Ihnen noch etwas.« Er wechselte das Glasplättchen gegen ein anderes aus. »Das ist von seinem Herzen. Schauen Sie sich die Herzkranzgefäße an - wie bei Cedric Harring. Alle Herzkranzgefäße
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