Todesangst
kühlen Bier in sein Arbeitszimmer zurück. Dort machte er es sich gemütlich und vertiefte sich wieder in sein Buch über DNA-Rekombination. Allmählich begann er zu begreifen, wie Alvin Hayes bestimmte Gene isolieren konnte. Darum hatte es sich wohl bei dem, was ihm Helene Brennquivist diesen Morgen gezeigt hatte, gehandelt. Sobald man einmal die geeignete Bakterienkolonie ausfindig gemacht hatte, brachte man sie dazu, Trillionen weiterer Bakterien zu erzeugen. Unter Zuhilfenahme von Enzymen wurde dann die Bakterien-DNA herausgelöst und zergliedert, und das gewünschte Gen wurde isoliert und gereinigt. Später konnte es in die DNA-Stränge anderer Bakterien wieder »eingebaut« werden, und zwar in Bereiche, die vom Forscher »eingeschaltet« werden konnten. Auf diese Weise wurden die betreffenden Bakterien zu winzigen Fabriken, in denen das Protein produziert wurde, zu dessen Erzeugung das neu eingesetzte Gen sozusagen den Befehl gab. Auf diese Weise hatte Hayes sein menschliches Wachstumshormon erzeugen lassen. Zunächst hatte er aus der menschlichen DNA das für die Erzeugung des Wachstumshormons zuständige Gen herausgelöst. Dann hatte er es mit Hilfe von Bakterien »geklont«, also in großer Anzahl absolut identisch vervielfältigt, und dann wieder in eine Bakterien-DNA »eingespleißt« in einem Bereich, der von einem Gen beherrscht wurde, das auf die Verwertung von Laktose programmiert war. Und wenn nun die Bakterienkultur mit Laktose »gefüttert« wurde, konnte Hayes sie dazu veranlassen, die Produktion menschlichen Wachstumshormons aufzunehmen - er hatte sie »eingeschaltet«.
Jason Howard leerte sein Glas und ging in die Küche, um sich Nachschub zu holen. Er war überwältigt von dem, was er da eben in sich aufgenommen hatte. Eigentlich war es kein Wunder, daß Wissenschaftler wie Dr. Hayes bei alldem etwas merkwürdig wurden. Schließlich war ihnen bewußt, daß sie tatsächlich die Macht hatten, das Leben zu verändern. Diese plötzliche Erkenntnis faszinierte Howard, und zugleich erfüllte sie ihn mit Unruhe. Die Gentechnologie bot eine außerordentliche Fülle von Möglichkeiten, die sich gleichermaßen positiv wie negativ nutzen ließen. Die Richtung aber, so dachte er, die man dabei einschlug, war ausschlaggebend - und war sie nicht von so vielen Entscheidungen abhängig, war sie nicht eine Art von Vabanquespiel?
Im Licht dieser neuen Erkenntnisse neigte Dr. Howard mehr als je zuvor zu der Annahme, daß Alvin Hayes, auch wenn er unter allgemeiner Erschöpfung gelitten hatte, in diesem Punkt die Wahrheit gesagt hatte - zumindest in bezug darauf, was er hinsichtlich einer bahnbrechenden Entdeckung geäußert hatte. Weniger sicher war er schon im Hinblick auf Hayes’ Meinung, irgend jemand wolle seinen Tod. Er wünschte sich wirklich, daß er während der letzten Monate mehr Zeit für den Mann gehabt hätte - daß er einfach mehr über ihn wüßte.
Dr. Howard warf einen Blick in den Ofen - das Huhn brutzelte vor sich hin und sah sehr verlockend aus. Er setzte Wasser für den Reis auf und kehrte in seine Klause zurück. Dort legte er die Füße bequem auf seinen Schreibtisch, kippte seinen Stuhl zurück und widmete sich dem nächsten Kapitel in seinem Buch. Darin ging es um die Labortechniken der Gentechnologie, und zunächst um die Methoden, durch welche mit Enzymen, die man Restriktions-Endonukleasen nannte, die Moleküle aufgespalten wurden. Diese Passagen mußte er mehrmals lesen - das war nicht so ganz leicht zu verstehen.
Plötzlich jaulte die Rauch Warnanlage. Jason Howard fuhr aus seinem Stuhl auf - er war über der komplizierten Lektüre eingeschlafen. Er rannte in die Küche - das Wasser für den Reis war total verkocht, der Teflonbelag des Topfbodens qualmte und erfüllte die Küche mit Rauch. Howard riß den Topf von der Kochplatte und warf ihn in die Spüle; er goß Wasser in den Topf, daß es zischte und spritzte. Dann riß er ein Fenster im Wohnzimmer auf und schaltete den Ventilator ein. Allmählich verzog sich der Qualm, und die Rauch Warnanlage verstummte. Howard war heilfroh, daß der Hausbesitzer, wie meist, verreist war.
Als sein Abendessen, wenn auch ohne Reis, fertig war, trug Jason Howard es in den Arbeitsraum und stellte es dort auf seinen Schreibtisch, wo er dafür Platz machte, indem er Blätter und Bücher zur Seite schob. Als er es zu verzehren begann, ertappte er sich dabei, wie er auf die Titelseite des Boston Globe mit der Schlagzeile DOKTOR, DROGEN,
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