Todesangst
ein bißchen herum, gab es aber schließlich auf und willigte ein. Dr. Howard versicherte ihr, daß er später noch einmal nach ihr schauen würde, und überließ sie dann Claudias bewährten Händen. Gegen vier lag Howard dann wieder halbwegs in seinem Zeitplan. Als er aus der Tür seines Büros trat, stieß er auf Roger Wanamaker, dessen mächtige Gestalt fast den engen Gang versperrte.
»Diesmal bin ich an der Reihe«, sagte er. »Hätten Sie wohl mal einen Augenblick Zeit für ein kurzes Gespräch?«
»Aber klar«, antwortete Howard, der sich eigentlich nie einem Kollegen verweigerte. Er bat Dr. Wanamaker in sein Büro, und dort legte dieser ihm mit einer gewissen Förmlichkeit ein Unterlagenmäppchen auf den Schreibtisch.
»Damit Sie sich nicht so einsam fühlen«, meint er dazu. »Das sind die Unterlagen über einen dreiundfünfzigjährigen Angestellten von Data General, der vorhin mausetot auf unserer Notaufnahmestation eingeliefert wurde. Vor noch nicht drei Wochen habe ich eine unserer berühmten gründlichen Gesamtuntersuchungen bei ihm durchgeführt.«
Jason Howard öffnete das Mäppchen und schaute sich die Eintragungen an, einschließlich der notierten Laborwerte und der EKG-Aufzeichnung. Die Cholesterinwerte waren relativ hoch, aber keineswegs beängstigend. »Ein weiterer Herzanfall?« fragte er und überflog dabei noch den Bericht über das Ergebnis der Röntgenaufnahme des Brustraums. Auch sie hatte nichts Auffälliges ergeben.
»Keineswegs«, sagte Dr. Wanamaker, »schwerer Schlaganfall. Der Mann brach mitten in einer Vorstandssitzung zusammen. Seine Frau kommt fast nicht darüber hinweg. Das Gespräch mit ihr hat mich selbst sehr mitgenommen. Sie sagte mir, er hätte sich mehr oder weniger genau seit dem Zeitpunkt mies gefühlt, als er zur Untersuchung bei uns gewesen sei.«
»Und worüber klagte er?«
»Nichts Spezifisches«, antwortete Wanamaker. »Vorwiegend Schlaflosigkeit und Unruhe, also genau das, worüber leitende Angestellte immer irgendwie zu klagen haben.«
»Was, verdammt noch mal, ist da bloß los?« fragte Jason Howard mehr rhetorisch.
»Das wüßte ich weiß Gott auch gerne«, antwortete der massige Mann. »Aber jedenfalls beschleicht mich ein ungutes Gefühl - als ob wir es irgendwie mit einer Epidemie oder so etwas Ähnlichem zu tun bekämen.«
»Ich habe diesbezüglich schon mit Madsen in der Pathologie gesprochen. Ich habe ihn ausdrücklich hinsichtlich der Möglichkeit einer bisher unbekannten Infektionskrankheit befragt. Aber er sagte nein dazu. Er meinte, es müsse metabolisch sein, irgendwie mit Autoimmunität zu tun haben.«
»Ich bin der Meinung, daß wir unbedingt etwas unternehmen müssen. Wie sieht es denn mit der gemeinsamen Sitzung aus, die Sie vorgeschlagen haben?«
»Ich habe sie noch nicht einberufen«, mußte Howard zugeben. »Ich habe meine Mitarbeiterin veranlaßt, mir alle Namen von den Patienten herauszusuchen, die im Laufe des letzten Jahres untersucht wurden, und diese wegen ihres derzeitigen Gesundheitszustandes abzufragen. Vielleicht sollten Sie das auch machen.«
»Gute Idee.«
»Wie sieht es denn mit einer Obduktion im vorliegenden Fall aus?« fragte Howard und reichte das Unterlagenmäppchen seinem Kollegen zurück.
»Muß beim offiziellen Leichenbeschauer gemacht werden.«
»Dann lassen Sie mich bitte wissen, was er feststellt.«
Nachdem Roger Wanamaker ihn verlassen hatte, machte sich Dr. Howard eine Notiz, zu Beginn der kommenden Woche eine Sitzung der Internisten an der Klinik einzuberufen. Selbst wenn er nicht nur einfach hätte erfahren wollen, wie verbreitet die Todesfälle dieser Art waren, konnte er nicht tatenlos zusehen, wie Patienten, denen noch kurz zuvor ein tadelloser Gesundheitszustand an ihrer Klinik bestätigt worden war, im Leichenschauhaus landeten.
Während er sich zu seinem letzten Besucher an diesem Tag in das Untersuchungszimmer begab, ertappte sich Howard beim Gedanken an Carol Donner. Plötzlich schoß ihm eine Idee durch den Kopf, und er trat an den zentralen Empfangsschalter, wo er Claudia traf. Er bat sie, hinunter in die Personalabteilung zu gehen und sich dort die Privatadresse von Dr. Alvin Hayes geben zu lassen. Er war sich sicher - wenn sie jemand beschaffen konnte, dann bestimmt Claudia.
Bei der Rückkehr in die Praxisräume wunderte sich Howard selbst darüber, daß es ihm nicht früher eingefallen war, sich die Privatanschrift von Hayes zu besorgen. Wenn Carol Donner mit dem Mann zusammengelebt
Weitere Kostenlose Bücher