Todesangst
hatte, war es doch viel einfacher, sich mit ihr in der Wohnung zu unterhalten statt im ›Club Cabaret‹, wo man ja sichtlich außerordentlich bemüht war, sie abzuschirmen. Vielleicht hatte sie irgendwelche Vorstellungen über Hayes’ wichtige Entdeckung; wenn nicht, vermochte sie doch sicherlich etwas über seinen Gesundheitszustand zu sagen. Als Howard die Untersuchung seines letzten Patienten abgeschlossen hatte, konnte ihm Claudia tatsächlich die Privatadresse von Hayes vorlegen. Es war irgendwo in der Südstadt.
Nachdem er mit seinen nichtstationären Patienten durch war und den notwendigen Schreibkram dazu diktiert hatte, fuhr Dr. Howard hinauf, um nach seinen in der Klinik befindlichen Schützlingen zu schauen.
Als erstes kam Madaline Krammer an die Reihe. Sie fühlte sich bereits ein bißchen besser - ein wassertreibendes Mittel hatte schon die Schwellungen ihrer Hände und Füße gemildert. Doch als er sie sich genauer anschaute, stellte er zu seiner Überraschung fest, daß ihre Pupillen stark geweitet wirkten und auf Licht kaum reagierten. Er notierte dies auf ihrem Krankenblatt und setzte seinen Rundgang fort.
Bevor er an das Bett von Matthew Cowen herantrat, klappte Dr. Howard das Unterlagenmäppchen des Patienten auf, um nachzulesen, was der Augenarzt notiert hatte. Zu seinem Erstaunen las er: »Leichter Katarakt auf beiden Augen. Neuerliche Überprüfung in sechs Monaten.« Jason Howard konnte das nicht glauben - Star mit fünfunddreißig? Er erinnerte sich daran, daß man bei der Obduktion von Connoly ebenfalls Star festgestellt hatte. Und jetzt gerade waren ihm bei Madaline Krammer auch die unnatürlich geweiteten Pupillen aufgefallen. Was zum Teufel war denn da bloß los? Noch verwirrter wurde er, als er sich schließlich mit Cowen unterhielt.
Der nämlich fragte den Arzt sofort: »Was gebt ihr mir da eigentlich für Zeug?«
»Wieso? Was meinen Sie damit?«
»Weil mir das Haar ausfällt.« Zum Beweis zupfte er an ein paar Strähnen, und sie blieben ihm sofort in der Hand. Er ließ sie auf die Bettdecke fallen.
Howard nahm eine hoch, zwirbelte sie langsam zwischen Daumen und Zeigefinger und betrachtete sie sorgfältig. Sie sah normal aus - vielleicht abgesehen von einem Anflug von Grau an den Haarwurzeln. Dann schaute er sich sorgfältig Cowens Kopfhaut an. Dort war nichts Auffälliges zu bemerken, weder eine Entzündung noch eine wunde Stelle.
»Wie lange geht das schon?« fragte er, indem er sich erschreckend deutlich an Brian Lennox erinnerte und auch an die Bemerkung von Mrs. Harring, daß sie an ihrem Mann einen auffallenden Haarausfall festgestellt hätte.
»Es hat sich gerade im Laufe des heutigen Tages stark verschlimmert«, antwortete Cowen. »Ich will ja nicht herumjammern, aber es scheint mir doch, daß so einiges bei mir zusammenkommt.«
»Das muß ein Zufall sein«, versicherte der Arzt und versuchte, sein eigenes Selbstvertrauen damit ebenso zu stärken wie das seines Patienten. »Ich werde veranlassen, daß ein Hautarzt nochmals eine genaue Untersuchung durchführt. Vielleicht hängt das auch mit Ihrer trockenen Haut zusammen. Ist es damit etwas besser geworden?«
»Es hat sich höchstens verschlechtert, falls irgendeine Veränderung eingetreten ist. Ich wäre wohl besser nicht ins Krankenhaus gegangen!«
Jason Howard war in Versuchung, ihm zuzustimmen, besonders angesichts der Tatsache, daß es so vielen seiner Patienten hier im Haus gar nicht sonderlich ging. Als er seinen Rundgang beendet hatte, fühlte er sich erschöpft. Fast hätte er vergessen, daß einige wohlmeinende Freunde darauf bestanden hatten, ihn für diesen Abend zu einem Essen einzuladen, um ihn dort mit einer netten vierunddreißigjährigen Rechtsanwältin namens Penny Lambert zusammenzubringen. Da ihm bis dahin nur noch eine Stunde verblieb, fand er, daß es sich nicht lohne, vorher noch nach Hause zu fahren. Statt dessen zog er den Stadtplan von Boston zu Rate, den er immer im Auto liegen hatte, und suchte die Springfield Street heraus, wo die Wohnung von Hayes lag; das war in der Nähe der Washington Street. Er nahm an, daß die Zeit günstig wäre, um Carol Donner dort zu erwischen, und beschloß, sofort hinzufahren. Doch das war leichter gesagt als getan. Er wandte sich nach Süden, blieb aber bald im Verkehrsgewühl der Massachusetts Avenue stecken. Er ließ sich nicht entmutigen, kam schließlich doch zur Washington Street und bog von dort nach links ab und ein Weilchen später nochmals nach
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