Todesblueten
spritzte mich voll und ich David, und ehe wir's uns versahen, war eine Wasserschlacht im Gange. Ein paar Eis essende Rentner mit beigen Sonnenhüten schüttelten die Köpfe.
»Guck mal, das Vieh hier.« David zeigte auf eine der Metallfiguren am Brunnen, aus deren aufgerissenem Mund ein Schwall Wasser herausschoss.
»Iiih, ist der hässlich«, sagte Melanie. Ihre dunklen Locken waren klitschnass. »Und der erst!« Sie deutete auf einen garstigen kleinen Gnom, der in das Bein einer badenden Blechnymphe biss.
»Sollen alles irgendwelche Sagenfiguren aus dem Spreewald darstellen.« Ich beugte mich vor, um das Schild am Springbrunnen zu lesen. »Wassermann, Schlangenkönig, Elfen und . . .« Weiter kam ich nicht. Eiskaltes Wasser floss mir von hinten ins T-Shirt hinein. Ich fuhr herum. »Mann!«
Es war Alex, wer sonst.
»Das war der Schlangenkönig«, schrie er. Er lachte wie blöd. Melanie und David lachten mit.
Ich schüttelte mich wie ein nasser Hund. So lustig war das nun auch wieder nicht. Und dann sah ich sie.
Die schicke schwarze Tasche mit den roten Monstern aus Berlin. Hatte ich
die
eben am Bahnhof erkannt?
Was für ein Zufall! Diesmal sah ich auch, wem sie gehörte. Einem Mädchen in Jeansshorts und mit blonden Dreadlocks. Sie sah genau zu mir, schienaber durch mich hindurchzublicken, das Gesicht bleich trotz der Sommerbräune. Sie verzog den Mund zu einem Lächeln. Es war mehr eine Grimasse. Dann sah sie mich plötzlich an. Zeigte mir den Mittelfinger. Ich schnappte nach Luft, doch in dem Moment war sie schon im Straßengetümmel untergetaucht.
»Was zum . . . Hast du die eben gesehen?« Ich drehte mich nach Melanie und Alex um, aber die spritzten immer noch herum wie ein verrückt gewordener Löschtrupp. David stand hinter mir. Er starrte in die Richtung, in die das Mädchen verschwunden war.
»Diese . . . die war schon in Berlin auf dem Bahnhof, die mit der schwarzen Tasche!« Ich zeigte aufgeregt in die Menge.
»Weiß nicht, was du meinst.« Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Wie ein lauerndes Raubtier.
Er hatte also nichts gesehen? Das konnte er den Wassermännern erzählen.
3.
»Zum Lausensee könnt ihr nicht wandern.« Der Mann auf dem Ausflugskahn kratzte sich am Kopf. Er trug eine fabrikneue Kapitänsmütze, die irgendwie lächerlich wirkte. Schließlich fuhr er nur Touristen mit seinem Stocherkahn bei einer Geschwindigkeit von 2 km/h herum.
»Wie meinen Sie das jetzt?«, fragte Melanie. Wir standen am Hafen und hatten uns nach ewigem Herumlaufen doch entschlossen, einen Einheimischen zu fragen.
»Da kommt man im Moment nicht zu Fuß hin. Die Brücke ist gesperrt. Da könnt ihr nur hin paddeln.«
»Aber ich dachte, da wäre auch eine Straße«, sagte ich verwirrt. Tante Lena hatte so etwas erzählt.
»Da
war
mal eine Straße«, korrigierte mich der Mann. »Aber da ist jetzt Naturschutzgebiet. Die sind ja früher da durchgefahren, die Deppen. Damit ist jetzt Schluss. Gott sei Dank.«
»Aber wie kommt man dann zu diesem See?«, fragte Alex.
Der Mann sah ihn nachsichtig an. »Na, mit dem Boot, junger Mann! Sie sind hier im Spreewald. Selberpaddeln macht fit! Oder Sie fahren mit dem Kahn.«
»Mit Ihrem Kahn?« Ich betrachtete die Bänke im Kahn, auf denen schon ein paar Omas saßen und darauf warteten, dass es losging. Es gab sogar Deckchen auf den Tischen.
»Nee, da fahr ich nicht hin«, sagte der Mann. »Ich mach nur die kleine Runde. Mit Kaffee und Kuchen, neun Euro pro Nase. Könnt ihr auch machen.«
Melanie wieherte los angesichts der Vorstellung, mit den Leuten im Boot eine Kaffeefahrt zu machen. Der Mann sah leicht beleidigt aus.
»Dann müsst ihr eben den Wasserbus nehmen«, sagte er. Damit war das Gespräch offenbar beendet, denn er wandte sich einem Trupp unternehmungslustiger Frauen zu, die unter großem Gekreisch seinen wankenden Kahn bestiegen.
»Na toll«, maulte Alex. »Und nun?« Er setzte sich auf Melanies Rucksack.
»Dann nehmen wir halt diesen Wasserbus. Kann doch nicht so schwer sein.« David sah sich um. »Ich guck mal, wo der abfährt.« Er marschierte los und sprach kurz mit einer Eisverkäuferin. Sie zeigte mit dem Arm in Richtung Campingplatz.
»Wieso fahren wir eigentlich nicht gleich mit der Jacht?« Alex zog seine Zigaretten heraus. »Die hätte doch hier in dem Hafen schon bereitstehen können!«
»Weil es keine Jacht ist«, erklärte ich zum gefühltenhundertsten Mal. »Es ist nur ein Hausboot. Und es fährt auch nicht
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