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Todesblueten

Todesblueten

Titel: Todesblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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Ich trat neben sie und winkte Bastian. Erst war sein Gesicht immer noch angespannt, dann aber entdeckte er Melanie neben mir und auch den fremden Mann. Er hielt den Daumen hoch. Ich ebenfalls.
    »Na bestens«, sagte der Mann. »Dann ist der Spuk hier ja gleich vorbei. Schön liegen bleiben, Freundchen.« Er versetzte Leon einen Tritt und hielt dessen Hände in eiserner Umklammerung.
    Bastian und die zwei Männer hatten mit dem Boot angelegt und polterten jetzt den Steg entlang. Sie marschierten durch die offene Tür herein und umringten Leon, der wie ein zerquetschter Wurm auf dem Boden lag.
    »Gut gemacht«, sagte der ältere Mann.
    »Mach seit 'nem halben Jahr Kampfsport«, erklärte der Mann im Polohemd.
    Mir war noch ganz schwindlig. Ich ging ihnen nach und setzte mich drinnen auf die Couch, wobei ich sorgsam vermied, Leons Geschreibsel auch nur zu berühren. Melanie blieb draußen. Offenbar wollte sie keinen Fuß mehr in Leons Boot setzen.
    »So, dann wollen wir mal«, sagte der Mann im Polohemd und wandte sich zum Gehen.
    »Moment«, sagte ich. »Und was ist mit meinem Handy?«
    »Dein Handy kannst du wiederhaben.« Der Mann trat zu mir und senkte die Stimme. Er griff in seine Hosentasche und holte mein kleines Handy heraus, das er mir wie bei einer geheimen Übergabe unauffällig in die Hand drückte. »Sorry. Habe ein bisschen überreagiert. Aber die Fotos musste ich löschen. Ein Mann in meiner Position . . .« Er brach ab, plötzlich verlegen.
    »Wer sind Sie eigentlich? Und wieso klauen Sie Handys?«
    Er winkte ab. »Spielt doch keine Rolle. Ich klaue keine Handys, das kann ich dir versichern. Aber du kannst nicht einfach Fotos von fremden Leuten machen. Und dann vielleicht an deine Schülerzeitung schicken oder zum Fotowettbewerb
Mein schönstes Sommererlebnis
oder ins Internet stellen, wo alle Welt sie ansehen kann, oder was weiß ich. Ich meine, dumusst die Privatsphäre anderer Leute einfach respektieren, verstehst du?« Er sah mich vielsagend an. Und dann kapierte ich auf einmal, warum er so herumdruckste.
    »Sie wollen nicht mit Ihrer Freundin auf einem Foto gesehen werden, das ist es, stimmt's?«
    Seine Augen verengten sich leicht. Ich hatte ins Schwarze getroffen.
    »Werde du erst mal erwachsen«, murmelte er. »Dann wirst du sehen, was ich meine. Ist nicht immer alles so einfach, wie ihr mit euren paar Jahren auf dem Buckel denkt.«
    Wahrscheinlich war er verheiratet. Hatte Kohle, so wie er aussah. Und eine Frau, die brav darauf wartete, dass er von seiner »Dienstreise« zurückkam. Eine Frau, die ihm das schicke Haus in Schuss hielt, für das er so schwer arbeitete. Was für eine Farce.
    Aber ich zuckte nur mit den Schultern. Seine Freundin war mir so was von egal, angesichts dessen, was hier passiert war. »Schon vergessen.«
    Er rieb sich erleichtert mit der Hand über die Stirn. »Auch kein Wort zur Polizei, okay?« Er hüstelte kurz in seine Hand. »Wegen dem Wald und so, wie gesagt, es war nicht so gemeint. Und ich denke, wir sind ja auch quitt, meinst du nicht?«
    Ich zuckte wieder mit den Schultern. Was für einen Unterschied machte es schon. Und außerdem hatte er uns gerettet, egal wie bekloppt er war. »Okay.«
    »Gut.« Er wandte sich ab und ging zu den fremden Männern, die um Leon herum standen.
    »Danke«, rief ich ihm schwach hinterher. Er winkte ab, drehte sich nicht mal um.
    Und dann war es, als ob all meine Kraft der letzten Stunde plötzlich mit einem Schlag verpuffte. Ich legte den Kopf in den Nacken und ließ meinen Blick durch Leons Boot wandern.
    Obwohl   – es war ja gar nicht Leons Boot.
    Vielleicht erfuhren wir jetzt endlich, wem das Ding wirklich gehörte.

27.
    »Alles okay? Hat er euch was getan?« Bastian kam zu mir. Er war völlig verschwitzt, musste wie ein Wahnsinniger gepaddelt sein.
    »Alles okay. Er hat sich irgendwie befreit. Ich dachte schon . . . ich dachte . . .« Plötzlich fing ich an zu weinen. Erst jetzt wurde mir klar, dass die Sache auch ganz anders hätte ausgehen können. Wenn Bastian den Mann nicht getroffen hätte . . .
    »Hey, ist gut, ist alles vorbei«, murmelte Bastian. Er setzte sich vorsichtig neben mich auf die Couch. Er war voller Schlammspritzer, aber ich konnte nicht anders. Ich fiel ihm um den Hals und schmierte mein tränennasses Gesicht an sein T-Shirt .
    »Ist ja gut, ist ja gut.« Bastian klopfte mir erst ein wenig unbeholfen auf den Rücken, doch dann gab er es auf und drückte mich ebenfalls.
    »Braucht sie mich?«, rief der

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