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Todesblueten

Todesblueten

Titel: Todesblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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ältere Mann, der mit Bastian im Kahn angekommen war, von draußen. Er beugte sich gerade auf dem Steg über Melanie und hatte irgendein medizinisches Instrument in der Hand.
    »Der war früher hier der Arzt im Dorf«, erklärte Bastian mir leise. »Soll er dich auch mal ansehen?«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte nur hier sitzen und Bastian festhalten und wissen, dass es Melanie gut ging. Dann fiel mir David ein. »Ich nicht, aber David, da draußen«, sagte ich aufgeregt. »Der hat bestimmt eine Gehirnerschütterung oder so was.«
    Der Mann nickte und stand auf.
    »Wo hast du den Arzt denn aufgegabelt?«, fragte ich, als ich mich endlich wieder beruhigt hatte.
    »Na ja, ich bin bis zum ersten Haus gepaddelt und habe Sturm geklingelt. Da war nur so eine sorbische Bauersfrau, aber sie hat mich zum Glück an ihren Nachbarn verwiesen, an Dr.   Breslow, pensionierter Arzt. Sein Sohn ist auch gleich mitgekommen. Die haben sich so einen Motor an ihren Kahn gebaut, was wohl nicht ganz zulässig ist, aber offenbar keinen stört. Deswegen waren wir so fix wieder da. Bist du sicher, dass er dich nicht mal durchchecken soll?«
    Ich schüttelte wieder den Kopf. Mir fehlte nichts.
    »Und wieso hast du eigentlich ausgerechnet den Mann im Polohemd geholt?« Ich wusste immer noch nicht seinen Namen.
    Bastian sah mich erstaunt an, schließlich wusste er nichts von meiner Begegnung mit dem Mann im Wald. »Warum denn nicht?«
    »Ach, nur so.« Ich biss mir auf die Lippen. Ich hatte doch was versprochen . . .
    »Wir haben uns am ersten Abend mal kurz unterhalten«, fuhr Bastian fort. »Sind ja quasi Nachbarn.Ich hatte erst Schiss, dass er irgendwie rummeckert, weil ich da wild zelte, aber das war ihm egal. Na ja, und als ich losgepaddelt bin, da stand er gerade auf seiner Veranda. Ich habe ihm nur zugebrüllt, dass er die Polizei anrufen soll. Ich war mir aber nicht sicher, ob er es machen würde, er hat mich nur verständnislos angeguckt. Da habe ich gerufen, dass ein Verrückter ein Mädchen umbringen will im Hausboot gegenüber und dass es um Leben und Tod geht.« Er lächelte verlegen. »Dann bin ich schnell weiter, um noch andere Leute zu holen, falls er es irgendwie nicht ernst genommen hat oder so.« Beim letzten Satz war er immer lauter geworden, denn ein Sirenenton kam immer näher. Viel lauter als das Geknatter des Motorkahns.
    Bastian lugte aus dem Fenster. »Na endlich. Und wie du siehst, hat er ja auch gleich die Polizei alarmiert. Dr.   Breslow hat sie auch noch mal angerufen, da wussten sie schon Bescheid.«
    Ich beugte mich vor. Durch das kleine Fenster sah ich, wie sich ein Motorboot auf den See schob, noch mal aufjaulte und kurz hinter unserem Hausboot anlegte. Natürlich, der Paddelzwang bestand ja nicht für die Polizei. Ein Mann und eine Frau sprangen heraus und kamen mit forschem Schritt auf uns zu. Und noch was sah ich. Offenbar angelockt von dem Sirenengeräusch kam jemand aus dem Wald spaziert, mit offenem Mund und verdattertem Gesichtsausdruck. Kleine Ästchen im Haar. Alex. Sofortgrollte Wut in mir hoch. Ich stand auf. »Guck mal, wer da kommt. Jetzt möchte ich doch mal wissen, wo der die ganze Zeit war.«
    Bastian betrachtete mich verwundert. Er hatte ja keine Ahnung, was für ein Riesenarschloch Alex war.
    »Entschuldigung«, ich schob mich an Bastian vorbei. Vorn an der Tür rangelte Leon noch immer herum, obwohl er schon total zerfleddert aussah, er trat mal nach rechts, mal nach links, woraufhin mein neuer Freund im Polohemd jedes Mal »Aus!« brüllte, als ob er einen wilden Rottweiler vor sich an der Leine hatte.
    »Schlampe«, zischte Leon, als ich an ihm vorbeiging, doch beim Anblick der Polizeibeamtin, die jetzt dazukam, brach seine aalglatte Fassade endgültig zusammen.
    »Ach, na so was, der Herr Rico Günther«, sagte sie. »So sieht man sich wieder.«
    Herr Günther? Leon hieß eigentlich Rico Günther? Ich drehte mich noch mal zu ihm um. Sah ihm direkt in seine wutverzerrten Augen. »Rico ist echt ein Scheißname«, sagte ich.
     
    »Spinnt ihr?«, schrie Alex mir entgegen, kaum dass ich auf der Wiese draußen war.
    Wie bitte? Was sagte der da?
    »Ich latsche durch diesen dämlichen Wald und ihr kümmert euch einen Dreck um mich«, brüllte er.
    »Hast du sie noch alle?«, herrschte ich ihn an. »Ich habe wie eine Blöde nach dir gerufen! Weißt du überhaupt, was hier los war?«
    »Wie denn? Ich bin schließlich die ganze Zeit durch dieses Unterholz geirrt! Ihr wart auf einmal alle

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