Todesbraeute
Fulmore betrifft. Aber wie du eben schon sagtest: Daraus folgt, dass die Polizei von Dutton Beweise gefälscht hat.«
»Chase hat Chloe schon über unseren Verdacht in Bezug auf Loomis informiert.«
»Ja, ich weiß. Sie leitet eine offizielle Untersuchung ein.« »Bist du denn damit einverstanden? Ich meine, der Mann ist dein Freund, oder?«
»Nein, ich bin nicht damit einverstanden«, fauchte Daniel. »Aber wenn er Beweise gefälscht und einen Unschuldigen ins Gefängnis gebracht hat und einen Mörder frei herumlaufen lässt, dann bin ich damit noch weniger einverstanden.«
Luke hielt beide Hände hoch. »Hey, tut mir leid.« Daniel schloss einen Moment lang die Augen. »Nein, ich muss mich entschuldigen. Ich hätte dich nicht so anschnauzen dürfen. Luke, danke für deine Arbeit. Ich muss jetzt wieder.«
»Moment noch.« Luke schob ihm zwei Jahrbücher über den Tisch. Beide lagen geöffnet übereinander. »Die Bücher sind von deinem und dem Jahrgang deiner Schwester. Ich dachte, du wolltest sie vielleicht haben.« Daniel betrachtete das Foto in der untersten Reihe und spürte, wie ihm das Herz schwer wurde. Auf dem Abschlussfoto sah seine Schwester kühl und entspannt aus, aber schon damals hatte es sich um eine Fassade gehandelt, dessen war er sich sicher. Er musste sie anrufen, bevor die Presse Wind von den Vergewaltigungen bekam, die Talia untersuchte. Das schuldete er Susannah. Und noch so viel mehr.
Atlanta, Donnerstag, 1. Februar, 11.15 Uhr
Wird aller Voraussicht nach Präsident der Vereinigten Staaten. Daniel strich mit dem Finger über sein Jahrbuchfoto. Seine Klassenkameraden hatten diese Unterzeile für ihn gewählt, weil er in der Schule stets ernst und besonnen gewesen war. Fleißig und aufrichtig. Er war Klassensprecher und Leiter des Debattierclubs gewesen. Er hatte sich jedes Jahr in Football und Baseball ausgezeichnet. Überall die besten Noten gehabt. Seine Lehrer hatten ihn für seine Integrität gelobt. Für seine Moral. Der Sohn eines Richters.
Der ein heuchlerischer Mistkerl gewesen war. Der der Grund gewesen war, warum Daniel sich derart angestrengt hatte. Er hatte gewusst, dass sein Vater nicht der Mensch war, für den ihn alle hielten. Er hatte die leisen Gespräche belauscht, die sein Vater mit nächtlichen Besuchern in seinem Büro im ersten Stock des Hauses geführt hatte. Er hatte gewusst, dass sein Vater überall im Haus Geheimnisse versteckte. Er hatte gewusst, dass sein Vater ein ganzes Lager an nicht registrierten Waffen im Haus hatte. Bündelweise Bargeld. Und er hatte immer vermutet, dass sein Vater korrupt war, aber er hatte es ihm nie beweisen können.
Sein ganzes Leben lang hatte Daniel versucht, wiedergutzumachen, dass er Arthur Vartanians Sohn war. Sein Blick glitt zu dem anderen Jahrbuch. Seine Schwester Susannah hatte ihr ganzes Leben lang versucht zu vergessen, dass sie Arthur Vartanians Tochter war. Die Zeile unter ihrem Foto lautete, dass man ihr zutraute, ihre Ziele zu erreichen, und das hatte sie, aber zu welchem Preis? Susannah litt unter Erinnerungen, die sie mit niemandem teilte ... nicht einmal mit mir. Am wenigsten mit mir. Er hatte das Elternhaus verlassen, um aufs College zu gehen, anschließend hatte er sich bei der Polizeiakademie beworben. Und nachdem sein Vater Simons Fotos verbrannt hatte, hatte er seiner Familie vollständig den Rücken gekehrt. Hatte Susannah den Rücken gekehrt. Er hatte sie zu Hause zurückgelassen. Bei Simon.
Daniel musste schlucken. Simon hatte ihr etwas angetan. Daniel wusste es. Und er fürchtete, dass er auch wusste, was genau Simon ihr angetan hatte. Dieser Wahrheit musste er sich endlich stellen. Mit zitternden Fingern wählte er Susannahs Nummer bei der Arbeit. Er kannte alle ihre Telefonnummern auswendig. Nachdem es fünfmal geklingelt hatte, hörte er ihre Stimme.
»Dies ist der Anrufbeantworter von Susannah Vartanian. In dringenden Fällen wenden Sie sich bitte -« Er legte auf und wählte die Nummer ihrer Assistentin. Auch diese Nummer kannte er auswendig. »Hallo, hier ist Daniel Vartanian. Ich muss mit Susannah sprechen. Es ist dringend.«
Die Assistentin zögerte. »Sie ist leider nicht erreichbar, Sir.«
»Moment«, sagte Daniel, bevor die Frau auflegen konnte. »Sagen Sie ihr, dass ich mit ihr reden muss. Es geht tatsächlich um Leben und Tod.« »Gut. Ich gebe es weiter.«
Eine Minute später hörte Daniel wieder Susannahs Stimme - diesmal live. »Hallo, Daniel.« Kühl. Distanziert. Es tat weh.
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