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Todesbraut

Titel: Todesbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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jemandem darüber geredet, mit Wasmuth vielleicht. Oder mit einem anderen Mann, einem Freund, ihrem Liebhaber, dem Vater ihres Kindes, Karsten Völker   …
    Irgendwie musste Shirin dann herausgefunden haben, was
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plante. Ausgerechnet bei der Hochzeit ihrer Tochter sollte ein Anschlag verübt werden, und sie selbst unterstützte direkt oder indirekt – aber auf jeden Fall mit ihrem Namen auf einem zwielichtigen Kontovertrag – diese Grausamkeit. Sie hatte sich von allen diesen Männern losgesagt, das Geld verprasst und damit auch gleich die Tickets für eine perfekte Flucht gebucht   … Und war ermordet worden.
    Stille um sie herum. Erst jetzt fiel Wencke auf, dass die Stimmen nebenan nicht mehr zu hören waren. Es war Nacht. Vielleicht waren sie fortgegangen. Vielleicht schliefen sie. Müdigkeit, ja, die hatte sich auch längst auf Wencke gelegt.
    Sie musste weiterkommen, nicht aufhören mit dem Denken. Shirin hat für ihren Verrat büßen müssen. Das war stimmig! Das passte!
    Bis auf eines: Es machte einfach keinen Sinn, dass Armanc Mêrdîn die Verantwortung für diese Tat übernahm. Warum sollte er die Terrorvereinigung decken und eine jahrelange Haftstrafe riskieren für die extremistischen Begleiter seiner Schwester? Er selbst hatte mit
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nichts zu tun, das wäre bekannt, schließlich stand er seit drei Jahren unter ständiger Beobachtung durch den Justizvollzug oder die Bewährungshelfer.Zumal es ihm nicht gleichgültig sein konnte, dass Roza – seine Nichte   – Gefahr lief, Opfer eines brutalen Anschlags zu werden. Nicht, nachdem er selbst damals ihr ohnehin schon unerträgliches Leiden verursacht hatte. Nein, dieses Puzzleteil klemmte und hakte.
    Wencke schlug mit der Faust auf den warmen Stein, als wollte sie die sperrige Geschichte geschmeidig machen. Bewegen gegen den Schlaf, sie schwitzte dadurch noch stärker, dabei war sie schon klatschnass. Nicht einschlafen   … nachdenken!
    Und die Mordmethode? Erst betäuben, dann fesseln, dann würgen   … Wer hatte das getan   … Wer   … Die Gedanken verschmierten in der Hitze. Die vielen Für und Wider immer durch den Kopf zu scheuchen kostete Kraft. Und davon war nichts mehr übrig. Beim besten Willen nicht.
    Emil. Sie hatte ihn nicht gefunden. Die zweite Nacht. Ob er wusste, dass sie alles daransetzen würde, ihn zu finden? Ob er an sie glaubte? Oder ahnte er, dass sie keine Chance haben würde, ihm zu helfen? Hatte er   … Angst? Verdammt, bloß keine Tränen jetzt.
    Hätte sie nur ein Glas Wasser. Einen kalten Lappen, feucht. Oder ein wenig Luft, die ihr den Schädel kühlte. Das wäre   …
    Ihre Augen fielen zu. Die wenigen Versuche, ihre Lider wieder zu öffnen, waren in etwa so anstrengend, als hätte sie einen Mittelklassewagen stemmen müssen. Nichts ging mehr.
    Aus.

… dich umhüllt   …
    Ein letztes Mal aufwachen, den Tag begrüßen. Heute ist der Tag des Zuckerfestes, die große Hochzeit, ihr Sterbetag.
    Ein letztes Mal aus einem Haus treten. Der Himmel wird nur langsam hell, aber die Vögel sind schon wach, wollen die Sonne herbeisingen. Ein schönes Geräusch. Leise und doch laut. Fröhlich.
    Ist sie fröhlich?
    Damals war sie es, als kleines Mädchen in Wunstorf, wenn Shirin sich verkleidet hat als Hexe oder Zauberin, da hat sie gelacht ohne eine Spur Traurigkeit. Armanc war noch klein, konnte gerade erst laufen, sie haben ihm eine Zipfelmütze aufgesetzt und die Wangen mit Shirins Lippenstift apfelbackenrot gefärbt. Er hatte Vaters Gummistiefel getragen, so lustig, wenn er über seine eigenen Füße gestolpert ist.
    Wann hatte das aufgehört?
    Als Shirin weggegangen ist. Sie selbst war nie so zu Späßen aufgelegt wie ihre große Schwester. Armanc und sie haben sich oft gestritten. Sie sind sich zu ähnlich, immer so stolz, immer im Schatten der Schwester und unter dem Dach der Familie. Und beide haben sie Shirin schmerzlich vermisst, als sie gegangen ist. Nur hat es keiner von ihnen zugegeben. Stattdessen haben sie sich gestritten.
    Armanc hat Shirin damals töten wollen. Wegen der verdammten Ehre. Aber sie – Meryem – hätte er wahrscheinlich nur verachtet, verbannt, vergessen. Für einen Ehrenmord hätte seine Liebe nicht gereicht. Niemand versteht, wie weh das tut.
    Nie ist sie danach wieder fröhlich geworden. So richtig mit lachendem Herzen, nein.
    Ein letztes Mal den Bosporus überqueren. Das Wasser wie Samt leckt am Metall der Fähre, selbst die Wellen scheinen noch müde zu sein.
    Es sind kaum Menschen

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