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Todesbraut

Titel: Todesbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Kontinente miteinander verband.
    Im Zickzackkurs ging es weiter durch moderne Wohngebiete, die auch in Hannover hätten stehen können, bis sie endlich die Minarette der Innenstadtmoscheen erkennen konnte. Eine weitere Brücke, Gedränge auf den Straßen, Hupen – dann kamen sie an. Onkel Eylem hielt mit quietschenden Bremsen, wünschte viel Glück, und Wencke hätte ihm für seine Großzügigkeit am liebsten einen Kuss gegeben, doch sie musste weiter und beließ es bei einem Lächeln, das herzlichste, das sie an diesem Morgen zustande brachte.
    Er ließ sie direkt am Park aussteigen, sie rannte über den Rasen. Eine Uhr verriet, dass sie es pünktlich geschafft hatte, fast bis auf die Minute genau, es war kurz vor eins, die Hochzeit im Hof der Blauen Moschee würde gleich beginnen.
    Dass sie nicht der einzige Gast sein würde, hatte Wencke natürlich erwartet. Doch mit dieser Ansammlung von Menschen, die sich zum selben Ziel bewegte wie sie, war sie überfordert. Es waren zu viele, um eine Anzahl zu schätzen. Sicher war nur, hier würde sie niemanden finden. Weder Brautpaar noch Attentäter, am allerwenigsten Emil.
    Noch sah sie nirgends Polizeiwagen oder dergleichen. Zwar vertraute Wencke der Kosian, dass diese alle Hebel in Bewegung setzte, um so schnell wie möglich den Bereich um die Blaue Moschee sichern zu lassen. Doch wie viele Minuten oder Stunden »so schnell wie möglich« hier in Istanbul bedeutete, wusste sie nicht einzuschätzen. Sie hoffte nur, dass die Bereitschaftsdienste durch die Terrorwarnung ohnehin aufgestockt worden waren.
    Die Menschen drängten sich im quadratischen Hof wie in einem Fußballstadion. Zwischen einigen Schultern hindurch konnte Wencke einen kurzen Blick auf das Geschehen in der Mitte werfen. Weiße Kleider und schwarze Anzüge bildeten ein fast grafisches Muster. Die Hochzeitspaare hatten ihre Gesichter der Moschee zugewandt, deren Kuppeln und Türmchen sich hinter den Arkaden auftürmten wie eine gigantische Sandburg aus der Sicht eines Taschenkrebses. Alle Frauen hatten die Gesichter unter Schleiern verborgen, es war unmöglich, unter den zweihundert Bräuten ausgerechnet Roza Talabani zu erkennen.
    Wencke verfluchte einmal mehr, dass sie nicht mit zwei Metern Körpergröße gesegnet war. Die Festgesellschaft presste sich in die Arkadengänge, es herrschte ausgelassene Stimmung. Jeder schien sich an diesem Ereignis zu erfreuen, Alte und Junge und Kinder, sie sangen und jubelten. Hochzeit, der wichtigste Tag im Leben   …
    Wencke hoffte, jemanden aus der Gruppe zu erkennen, die sie gestern Abend am Hafen abgeholt hatte. Einen ihrer beidenBegleiter vielleicht, oder der bärtige Typ, der Wasmuth zugenickt hatte, vielleicht auch Meryem selbst – heute womöglich mit einem breiten Ledergürtel ausgestattet. Doch die unzähligen Menschen waren ständig in Bewegung, schoben sich weiter nach vorn, winkten sich zu und trafen sich ganz woanders, liefen kreuz und quer. Zwei oder dreimal glaubte sie, Emil zu sehen, und ihr Herz setzte jedes Mal abrupt aus, bis das Kind sich irgendwann umdrehte und die Gesichtszüge wieder nicht die ihres Sohnes waren. Dann wusste sie kaum, ob sie enttäuscht oder erleichtert sein sollte. Vielleicht war er ja gar nicht hier, vielleicht waren seine Entführer nicht so weit gegangen, ihn in Lebensgefahr zu bringen. Diese Sätze betete sie sich selbst immer wieder vor, denn der Gedanke, dass Emil inmitten all dieser Menschen stand, von denen mindestens einer einen Sprengstoffgürtel um den Leib trug, führte nur dazu, dass sie sich fühlte wie narkotisiert. Und das durfte auf keinen Fall geschehen, sie musste wach bleiben, hellwach, wenn sie die Katastrophe verhindern wollte.
    Das Wichtigste war jetzt, die Attentäter aufzuspüren, denn wenn es misslang, deren Plan zu vereiteln, würde sie weder Emil noch Axel wiedersehen, es sei denn, es gab tatsächlich so etwas wie einen Himmel. Sie hatte keine Ahnung von der Dimension und der Funktionstüchtigkeit des Istanbuler Sicherheitsapparats – nur eines war gewiss: bis die Informationen in die richtigen Kanäle gelangt waren, kam es auf sie an. Doch was hatte sie allein für eine Chance gegen eine Gruppe, deren Mitglieder bereit waren, ihr Leben hinzugeben für ein Ziel, welches fanatisch und irrational war? Ihr Feind war ohne Kontur, ohne Grenze, unfassbar und unberechenbar. Es war utopisch, im Alleingang gegen
kesîbtîya mewcûdbûna Kurdistanê
antreten zu wollen. Es war Wahnsinn! Doch was blieb ihr

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