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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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wehtat. Bettina holte Eiswürfel aus dem Kühlfach und steckte ihm zwei davon in den Mund. Er nickte dankbar.
    Dann nahm sie die Gitarre und spielte für ihn ein Indianerlied. Schlafe ein, kleiner Wolf, schlafe ein.
    Leon gefiel es. Er legte eine Hand auf ihr Knie. Sie spürte durch den Hosenstoff, wie heiß der Junge war.
    Als er tief schlief, rief sie seine Mutter an, um ihr ein paar beruhigende Worte zu sagen und um zu erfahren, wie die Situation außerhalb Emdens war.

 
    71 »Sie braucht Wasser«, sagte Lukka, »sonst stirbt sie uns.«
    Charlie gab ihr recht. »Ich habe auch Durst. Aber wie soll ich jetzt an etwas zu trinken kommen?«
    »Es gibt genug«, stellte Lukka klar. »Es muss nur einer holen.«
    »Ich geh da jetzt nicht raus«, sagte Charlie. »Die drehen doch alle durch. Vielleicht hätten wir uns ein Boot nehmen sollen, genau wie Antje. Die ist jetzt bestimmt schon auf Borkum und zischt sich irgendwo ein Weizenbier.«
    »Ja, falls ihr keiner mit einem Golfschläger den Schädel einschlägt. So aggressiv, wie die Typen drauf waren, will ich da keinen Urlaub mehr machen.«
    Lukka machte noch einen Versuch. Sie war es eigentlich gewohnt, dass Männer ihren Wünschen sehr schnell nachkamen. Mit ihrem Rehblick konnte sie sie in einer Weise manipulieren, dass sie die verrücktesten Dinge anstellten, nur um ihr zu gefallen. Aber jetzt, nachdem sie so viel Blut gespuckt hatte, sah sie aus wie ein Zombie, dem das halbe Gesicht weggeschossen worden war, was ihrem Rehblick die Wirksamkeit nahm.
    »Einer von uns muss gehen«, sagte sie. »Entweder du oder ich. Soll ich wirklich so ins Restaurant?«
    Warum nicht, dachte Charlie, dann musst du wenigstens nicht lange Schlange stehen. Die Leute werden schreiend weglaufen, wenn sie dich so sehen.
    Das sagte er aber nicht, sondern: »Ja, schon gut, ich gehe. Aber pass auf, dass mir keiner meinen Platz hier wegnimmt.«
    Lukka nickte und zeigte ihre Krallen. »Ich werde jeden verjagen, der hier reinwill. Außerdem«, sie zeigte mit einer Kopfbewegung nach hinten zu Regula, »glaubst du, hier will einer einsteigen, wenn er sie sieht?«
    Charlie öffnete die Tür des Golfs. Die Luft draußen schmeckte gut. Irgendwie fischig und nach Weihrauch und Vanille. Charlie atmete tief ein. Was war das? Irgendeine Blüte? Ein Parfüm? Sind meine Geruchsnerven so verwirrt?, fragte er sich. Sind das die Vorboten der Krankheit oder riecht es hier wirklich so merkwürdig?
    Plötzlich war er ganz froh, ausgestiegen zu sein. Auf jeden Fall war die Luft hier besser als im Auto. Sein Golf bot durch die Anwesenheit von Regula ja keinen Schutz mehr vor den Viren, sondern er, Charlie, befand sich sozusagen mit dem Virenmutterschiff in engstem Kontakt. Wenn er logisch schlussfolgerte, musste er davon ausgehen, dass er das Zeug längst eingeatmet hatte. Er fragte sich, wie lange es noch dauern würde, bis er so wie Regula gespenstisch fiebrig zucken würde.
    Er arbeitete sich bis zur Kantine durch. Dort bediente niemand mehr. Jeder holte sich einfach, was er wollte. Er nahm ein paar Eis am Stiel aus der Kühltruhe, drei Flaschen Mineralwasser und eine Cola light.
    Es war nicht weit bis zum Auto, aber er hielt es nicht länger aus. Ein plötzlicher Heißhunger packte ihn, eine Art Fresslust. Er hielt an, setzte sich in eine freie Ecke zwischen den Koffern, riss das Papier vom Eis und grub die Zähne in ein Magnum. Die Kälte ließ ihn zusammenzucken. Ein Schmerz jagte vom Zahnfleisch bis ins Gehirn, aber der Schmerz tat gut. Er hatte etwas Befreiendes an sich.
    Erst jetzt bemerkte Charlie, dass er Schluckbeschwerden hatte. Er ließ das Eis nicht langsam auf der Zunge zergehen, so wie er es sonst tat, sondern er biss große Stücke davon ab und schlang sie hastig hinunter. Es brachte ihm Kühlung und eine nie gekannte Erfrischung.
    Habe ich vielleicht auch schon Fieber?, dachte er. Liegt es daran?
    Dann drückte er sich ein Eis gegen die Stirn und rieb damit den Ansatz seiner Glatze ein.
    Während er zwischen den Koffern saß, hörte er eine Durchsage von Henning Schumann: »Liebe Leidensgenossen! Einige von uns haben sich entschlossen, Rettungsboote zu kapern und ihr Glück auf eigene Faust zu versuchen. Diejenigen unter Ihnen, die Ferngläser haben, konnten es vielleicht beobachten: Zwei Boote sind gekentert. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir keine Rettungsversuche unternehmen können. Wer von Bord geht, ist für sich selbst verantwortlich, für seine Sicherheit können

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