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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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sich nicht erklären, was dort gerade passierte.
    Der Südstaatler schwang sich auf sein Rad und verschwand ohne Licht in der Dunkelheit.
    Kerstin Jansen stieg in den Helikopter.
    »War es das?«, fragte der Pilot.
    »Ja. Das war es. Ab zurück nach Emden.«
    Der junge Pilot hatte viel mehr mitbekommen, als Bürgermeisterin Jansen dachte. Jetzt gab er seinen Senf ungefragt dazu.
    »Also … ich würde den nicht so einfach abhauen lassen, mit der ganzen Kohle. Den sehen Sie doch nicht wieder.«
    Dazu sagte sie nichts, aber sie hätte sich am liebsten die Atemschutzmaske vom Kopf gerissen, um endlich wieder richtige Luft zu schmecken.

 
    103 Noch immer glitten die roten Laserstrahlen über das Deck der Fähre. Frau Schwann staunte über ihren Mann, der die Sicherheitskräfte wie Befreier begrüßte. Ohne genau zu wissen, was sie wollten, rannte er mit offenen Armen auf zwei von ihnen zu und erklärte in einem Wortschwall – völlig unverständlich für die Männer –, er hätte sich für Abstimmungen nach dem Schweizer Modell eingesetzt. Alles sei praktisch gemeinsam entschieden worden. Der Volkswille sei höher zu achten als jede Regierung, also sei auch der Wunsch der Passagiere wichtiger als der des Kapitäns.
    Er redete so schnell, dass sein Mundwerk ihr vorkam wie die Mündung eines Maschinengewehrs. Deshalb war sie auch viel weniger erstaunt als er, als einer der vermummten schwarzen Ritter seine Waffe zog und den Laserpunkt auf Helmut Schwanns Kopf richtete.
    »Stehen bleiben! Kommen Sie nicht näher! Ich will Ihre Hände sehen. Zeigen Sie mir Ihre Hände.«
    Helmut Schwann blieb bewegungslos stehen. Der rote Punkt wanderte über seinen Körper.
    »Die Hände!«
    Helmut Schwann wusste nicht, was er noch tun sollte, um zu zeigen, dass er unbewaffnet war. Er stand aufrecht, mit ausgebreiteten Armen und offenen Handflächen. Wie immer verließ er sich auf seine Wortgewandtheit: »Ich bin unbewaffnet. Mein Name ist Helmut Schwann. Ich begrüße Sie im Namen aller friedlichen Fahrgäste an Bord der Ostfriesland III.«
    »Sie sollen nicht näher kommen, habe ich gesagt. Wo ist der Kapitän?«

 
    104 Charlie saß immer noch zwischen den Koffern der Passagiere, unweit des Autodecks. Jetzt, im Dunkeln, fühlte er sich hier sicherer als irgendwo sonst an Bord. Das Fieber tobte in seinem Körper und etwas sagte ihm, dass er auf dem besten Wege war, verrückt zu werden. Gleichzeitig hatte er ein schlechtes Gewissen Regula und Lukka gegenüber. Er hatte versprochen, Getränke zu besorgen, und war einfach nicht zu seinem Auto zurückgekommen. Er stellte sich vor, die beiden seien, ihn verfluchend, verdurstet.
    Ein Rest von klarem Verstand verneinte das alles. Wahrscheinlich war Lukka längst losgezogen, um Regula Wasser zu bringen und Eis. Bestimmt machten die zwei sich Sorgen um ihn. Vielleicht streifte Lukka längst über die Fähre und suchte ihn.
    Aber warum hörte er sie nicht rufen? Überhaupt war es so still. War er taub geworden? Hörte er nur noch die Stimmen in seinem eigenen Kopf?
    Er musste, nachdem er mehrere Magnum verschlungen hatte, eingeschlafen oder ohnmächtig geworden sein. Er hatte geträumt, er hätte sich in die Eistruhe gelegt und so das galoppierende Fieber in sich bekämpft. Eine weiße Frostschicht hatte sein Gesicht überzogen und aus seinen Haaren spitze Eiszapfen gemacht. In seinem Traum war diese Kühltruhe für Speiseeis der schönste und heilsamste Ort der Welt und er, Charlie, lag da wie ein Vampir tagsüber im Sarg, um sich vor Sonnenlicht zu schützen, voll in dem Bewusstsein, bald wieder in der Dunkelheit aktiv werden zu können … Gleichzeitig aber fühlte er sich wie ein Mitglied der in Tiefschlaf versetzten Crew im Science-Fiction-Film »Aliens« und er war sich nicht sicher, ob in der Tiefschlafphase nicht ein Monster in seinen Körper gekrochen war.
    Statt Lukka und Regula zu helfen, kroch er jetzt auf allen vieren wieder zur Theke, um sich am Kühlschrank neu mit Eis und kalten Getränken einzudecken. In dem dunklen Flur geriet er plötzlich in ein Gespinst aus sich kreuzenden roten Linien, die wie tastende Fühler von Raubtieren den lang gestreckten Raum absuchten. Sie machten ihm Angst. Er versuchte, zurückzukriechen, doch der Stiefel eines SEK-Beamten stoppte ihn.
    »Stehen Sie auf. Sind sie bewaffnet? Zeigen Sie mir Ihre Hände. Fühlen Sie sich krank? Wo ist der Kapitän?«
    Das waren eine Menge Fragen auf einmal, fand Charlie und hustete zur Antwort nur heftig.

 
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