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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Deppen und Verbrechern zu werden.
    Erst als Jörg Bauer ihn umarmte, fiel Benjo das Handy wieder ein. »Ich fürchte«, sagte Benjo, »ich habe Ihr Handy verloren.«
    Jörg Bauer lachte. »Viele Menschen haben heute viel mehr verloren und wir – Sie – haben das Kind gerettet!«
    Benjo war froh, dass Bauer keinen kleinlichen Stress machte mit Fragen nach einer Haftpflichtversicherung oder so. Stattdessen schien der Mathelehrer gut gelaunt, ja irgendwie fast schadenfroh. Es platzte schließlich aus ihm heraus, während er und Benjo, neben den Ärzten und den Helfern, mit den Verletzten zur Promenade liefen.
    »Ich muss Ihnen im Grunde sogar dankbar sein. Diese ständige Erreichbarkeit versaut einem doch den ganzen Urlaub. Mein bescheuerter Schwiegersohn geht mir unendlich auf den Keks, dauernd ruft er an und … Sie haben mich von dem Terror befreit.«
    Im Laufen drückte er Benjo an sich und wusste, dass der sein Traumschwiegersohn gewesen wäre. Ein junger Mann nach seinem Geschmack. Klar und zupackend. Nicht so ein Jammerlappen, der jeden Termin verpasste, sich grundsätzlich ungerecht behandelt fühlte und glaubte, dass die Welt ihm eine Menge schuldig sei.
    Als Benjo sich noch einmal umdrehte, um zu sehen, wo Margit geblieben war, sah er sie humpelnd nahe bei Jutta. Hinter ihnen entfernte sich die Ostfriesland III in Richtung Emden. Jetzt blinkten auch die Lichter anderer Boote auf, die die Ostfriesland III umkreisten, und ein Hubschrauber schien dicht über ihr in der Luft zu stehen und mit Scheinwerfern das Deck abzusuchen.
    Die verbliebenen Kämpfer aus Cremers Truppe logen sich das Ganze zu einem Sieg um. Die Polizei war gekommen und erledigte jetzt ihre Arbeit. Sie hinderte die Fähre daran, Borkum anzulaufen.

 
    107 Einen winzigen Moment lang hatte die Bürgermeisterin daran gedacht, nicht nach Emden zurückzukehren, den Kessel der Eingeschlossenen endgültig zu verlassen. Aber das war nicht sie. Sie bestand zu einem wesentlichen Teil aus Pflichtgefühl. Loyalität war ihr wichtig. Der Konflikt, loyal der Stadt oder der Familie – der Exfamilie – gegenüber zu sein, war schon belastend genug für sie. Sie hatte sich für ihre Kinder entschieden und damit, so merkwürdig sich das auch anfühlte, für ihren Exmann. Die Kinder könnten es ihr nie verzeihen, wenn sie ihn nicht mit dem rettenden Stoff versorgen würde.
    Szenen ihrer Ehe stiegen in ihr auf. Sie hatte sich in einen stolzen Adler verliebt, der im Laufe ihrer Ehe zu einem fetten Suppenhuhn mutiert war.
    Nein, sie wollte seine Hemden nie mehr waschen. Nicht morgens seine Launen ertragen, wenn finanziell mal wieder alles schieflief, aber sie würde ihn retten, wenn es denn eine Rettung gab und nicht alles nur Lug und Trug war.
    Der Hubschrauber flog an der Ems entlang. Die Innenstadt war ruhig. Die Stadtteile Larrelt und Constantia wirkten wie ausgestorben. Nur an den Rändern der Stadt flammten Mündungsfeuer auf. Es wurde geschossen. Sie wusste nicht genau, wer da gegen wen kämpfte. Sie stellte sich vor, dass verzweifelte Menschen immer wieder versuchten, den Ring zu durchbrechen, konnte aber nicht glauben, dass da Bundeswehrsoldaten auf Bürger feuerten.
    Lieber Gott, betete sie, lass das alles hier bald vorbei sein. Du hast uns heftig genug auf die Probe gestellt.

 
    108 Die Stille zwischen den Schüssen zerrte an Josys Nerven. Wenn es endlich wieder krachte, die Kugel aber niemanden getroffen hatte, sondern in einer Wand des Gebäudes stecken blieb, war sie wie erlöst. Dann konnte sie kurz atmen und hielt die Luft an, bis die nächste Gewehrkugel die Luft zerriss.
    Justin saß in der Ecke, die Beine an den Körper gezogen, das Gesicht in der Armbeuge verborgen, und betete laut: »Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Frauen und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus. Heilige Maria, Mutter Gottes, steh uns bei, jetzt und in der Stunde unseres Todes, amen.«
    Ubbo Jansen stand mit dem geladenen Gewehr schräg neben dem Fenster und suchte eine gute Schussposition, um das Feuer erwidern zu können. Josy schaute ihn an. Die Küstenseeschwalbe saß auf seiner Schulter, wie der Rabe auf dem buckligen Rücken der Hexe vor ihrem ersten Weihnachtsknusperhäuschen, an das sie sich erinnern konnte …
    Sie war seit vielen Jahren Mitglied im Vogelschutzbund, hatte die Tiere beobachtet und konnte mindestens fünfzig verschiedene Vogelarten am Flugverhalten unterscheiden. Aber so etwas

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