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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Emden nach Norden war kurz, aber erschütternd. Die Straßen unter ihnen waren mit hupenden Autos verstopft. Noch immer gab es eine Fluchtbewegung von Emden weg. Aurich war zur Geisterstadt geworden. Die Menschen suchten die größtmögliche Entfernung zum Virus, jeder wollte so weit wie möglich weg sein und kaum jemand glaubte ernsthaft, der Ring um die Stadt könnte die Todesviren stoppen.
    Die Menschen eines ganzen Landstrichs waren in Bewegung geraten wie eine Lawine. Niemand wusste, wohin, aber alle wollten weg. Nur die ganz Starrsinnigen blieben zu Hause, um aus Angst vor Plünderungen ihr Eigentum zu verteidigen.
    Plötzlich sah Kerstin Jansen ihre Kinder vor ihrem inneren Auge und die Sehnsucht, sie zu umarmen, wurde fast zu einem körperlichen Schmerz. Sie wollte bei ihnen sein. Sie sah sie nicht in ihrem heutigen Alter, sondern als sie klein waren. Kira weinte, weil sie nicht in den Kindergarten wollte, und Tim hatte den Tisch gedeckt und stand jetzt heulend da, weil er die Teller hatte fallen lassen …
    Sie wusste nun, dass der Impfstoff sie vor eine Entscheidung stellen würde. Er reichte nicht für alle Menschen, nicht einmal für alle, die zur wichtigsten Gruppe zählten, die, die unbedingt geimpft werden mussten, um die Hilfsmaßnahmen aufrechtzuerhalten. Medizinisches Personal. Polizei. Feuerwehr. Aber sie würde drei Dosen abzweigen. Für ihre Kinder und für Ubbo Jansen. Ihr selbst stand eine Impfung zu und für ihre Kinder und ihren Exmann musste es auch eine Möglichkeit geben …
    Ob Kira schon in Emden war? Oder saß sie in irgendeinem Flughafen oder Bahnhof fest? Sie wusste es nicht. Kira, die Vatertochter. Kira, die Gute. Der Friedensengel.
    Der Hubschrauber landete genau auf dem dafür vorgesehenen Punkt, direkt neben dem Krankenhaus. Hinter einigen Fenstern brannte noch Licht. Eine Patientin fotografierte vom Krankenbett aus mit ihrem Handy.
    Die Bürgermeisterin stieg aus.
    Von Weitem wirkte sie wie ein gelber Frosch, der aufrecht gehen konnte. Mit dem Koffer stand sie nun im Schutz des Gebäudes und sah sich um.
    Sie hörte plötzlich eine Liedzeile: It’s all over now, Baby Blue..: Sie wusste nicht, ob es eine Erinnerung an ihren Mann Ubbo war, der den Bob-Dylan-Song zu Beginn ihrer Beziehung gerne gehört hatte, oder ob hier irgendwo ein Radio lief.
    Die Einschränkung des Sichtfelds durch die Atemschutzmaske schärfte ihre Instinkte. Sie drehte sich um. Sie wusste, von wo der Mann kam, bevor sie das Licht von seinem Fahrrad sah.
    Er radelte ohne Hast auf sie zu. Sein Rad wackelte, entweder war er ein ungeübter Radfahrer oder eine Windböe, die sie hier, nahe beim Klinikgebäude, nicht bemerkte, machte es ihm schwer, in der Spur zu bleiben.
    War das wirklich ihr Kontaktmann, ein einsamer Radler?
    Er hielt vor ihr. Seine Fahrradlampe erlosch. Dann leuchtete er ihr mit einer Taschenlampe ins Gesicht. Er wollte sie blenden. Sie sollte ihn später nicht identifizieren können. Aber sie erkannte seine Stimme mit dem Südstaatenakzent sofort.
    »Was soll der Aufzug, Frau Jansen? Laufen in Emden jetzt alle so herum? Oder haben Sie Angst, sich bei mir anzustecken?«
    »Reine Schutzmaßnahme. Ich könnte Sie infizieren.«
    »Ich bin geimpft«, lachte er und nahm ihr den Koffer ab.
    »Wie ist die Geheimzahl?«
    »Null, null, null, null.«
    »Tolles Sicherheitsschloss. Ich werde das Geld an einem sicheren Ort überprüfen und Sie dann anrufen.«
    Er öffnete den Koffer und leuchtete hinein.
    »Wer sagt mir, dass Sie mich nicht reinlegen?«, fragte sie und rang nach Luft. Durch das Sprechen beschlug das Sichtglas wieder.
    Der ostfriesische Wind griff in den Koffer und ließ ein paar grüne Hunderteuroscheine hochflattern.
    Er schloss den Koffer und ließ die Scheine in die Nacht fliegen.
    »Das sagt Ihnen Ihre Menschenkenntnis. In zwei, drei Stunden können wir mehr liefern. Wenn Sie eine Million drauflegen, kann ich Ihnen ein paar Extradosen dazupacken. Muss ja niemand wissen. So für Ihre Liebsten.«
    »Ich habe keine Million!«, fuhr sie ihn brüsk an. »Sie überschätzen meine finanziellen Möglichkeiten. Ich bin nur Bürgermeisterin.«
    »Schon klar, aber Sie kennen doch bestimmt ein paar wohlhabende Leute in Emden, Geschäftsleute, die jetzt da festsitzen und eine Scheißangst haben. Ich könnte sie beliefern. Wenn Sie den Deal hinbekommen, sind für Sie ein paar Sonderrationen drin.«
    In der Ubbo-Emmius-Klinik wurden Stimmen laut. Zwei Leute liefen auf den Hubschrauber zu, sie konnten

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