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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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die Herrentoilette stürmte. Benjo drängte sich hinter ihr durch die Tür. Kai Rose wollte ihn nicht hereinlassen und versuchte, ihn abzudrängen.
    Margit setzte ihre Tochter ab und schlug ihrem Mann ins Gesicht. Seine Oberlippe platzte auf. Sie kreischte: »Was bist du für ein Mensch! Du willst ein Vater sein? Lässt mich mit deiner Tochter draußen bei der Meute im Stich?!«
    Benjo schob sich nun in den Raum und drückte die Tür hinter sich zu.
    Kai Rose tupfte sich mit einem Papiertaschentuch das Blut von der Lippe. Da er gar nicht auf ihre Worte reagierte, verpasste sie ihm noch eine Ohrfeige.
    Er schützte sich nicht vor ihren Schlägen. Es war, als würden sie ihm guttun, als würde damit endlich etwas klargestellt.
    Sie sah den Vorwurf in seinen Augen und die Verachtung. Du hast dich mal wieder nicht im Griff, wie immer. Du bist auch nüchtern besoffen. Sein Lieblingssatz in der schweren Zeit, wenn sie versuchte, ohne Alkohol auszukommen, und sich trotzdem oder gerade deshalb mal wieder völlig danebenbenommen hatte.
    »Ich bin nicht die Rabenmutter! Du bist der Rabenvater!«
    »Ja, komm, hau doch wieder zu. Knall mir noch eine! Lass alle sehen, wie sehr du um deine Ehe kämpfst. Und wie wenig du dich unter Kontrolle hast. Bevor ich zu dir zurückgehe, würde ich lieber schwul werden!«
    »Red nicht so! Was sollen die Kinder denken?«
    »Ha!«, lachte er bitter. »An die Kinder hättest du vorher denken müssen.«
    Benjamin Koch bückte sich zu Dennis. Der Junge lag mit verzerrtem Gesicht unter einem der Pissoirbecken und zog sein rechtes Knie an den Körper. Sein Fuß hing unnatürlich herab, als sei er nicht richtig am Bein angewachsen.
    Benjo traute sich nicht, das Bein des Jungen zu berühren. Er begriff augenblicklich, dass das Kind verletzt war. Der Streit der Eltern, in dem das Leid des Jungen völlig unterging, machte ihn wütend.
    »Hört endlich auf. Es geht ihm schlecht. Er braucht einen Arzt!«
    »Er hat keine Scheiß-Hühnergrippe!«, fauchte Kai Rose, dem die Anwesenheit des jungen Mannes ebenso wenig gefiel wie die seiner Frau.
    Benjo hatte keine Lust, sich auf diesem Niveau auseinanderzusetzen. Er kniete sich neben Dennis und fragte ihn: »Wie ist das passiert?«
    Die Verbissenheit, mit der der Junge die Frage ignorierte, zeigte Benjo, dass Dennis auf keinen Fall irgendwem in diesem Krieg hier Munition liefern wollte für ein neues Ehegefecht.
    Er antwortete nicht. Nur ein Stöhnen kam über seine Lippen.
    Jetzt erst sah Margit ihr Kind bewusst an. Ihr stiegen sofort Tränen in die Augen, so jämmerlich wirkte Dennis auf sie.
    Hinter ihrem Rücken brach Viola zusammen. Ihr Atem ging pfeifend.

 
    25 Ole Ost hoffte, dass jetzt, nachdem die Familie mit dem vermutlich kranken Kind isoliert worden war, die Ordnung an Bord wiederhergestellt werden könnte. Er stellte sich vor, wie das hier schon bald zu einer Anekdote werden würde, wie so viele Abenteuer und Katastrophen der christlichen Seefahrt. Der Tag, an dem sie nicht in Borkum landen konnten – er würde in die Geschichte der Fährschifffahrt eingehen und alle daran erinnern, dass Borkum eben immer noch eine alte Pirateninsel war, auf der Haifischknochen als Gartenzäune benutzt wurden, und dass auf einigen verwitterten Grabsteinen an der Kirche kein Kreuz war, sondern ein Totenkopf. Etwas von der uralten Freibeutermentalität war immer auf der Insel lebendig geblieben. In Vergessenheit geraten würde nur, dass sie, die Piraten, nicht von den Bewohnern, sondern von Touristen vertrieben worden waren …
    Ole Ost hob die Arme und wollte um Ruhe bitten. Aber noch bevor seine Stimme ertönte, hob die blasse, rothaarige junge Frau ihr brandneues Smartphone hoch. Darauf liefen die Nachrichten. Lukka rief: »In Emden haben sie die ersten Toten. Die Bundeswehr hat alles abgesperrt, da kommt keiner rein und keiner raus. Ich will da nicht hin!«
    Spontan stimme Charlie ihr zu: »Ich auch nicht!«
    Er wusste nicht so recht, wohin mit sich. Einerseits war er froh, nicht mit den anderen auf der Toilette eingeschlossen zu sein, andererseits war das möglicherweise jetzt der sicherste Ort. Falls die Kinder gesund waren, war die Ansteckungsgefahr draußen an Bord bei den vielen Menschen auf jeden Fall viel höher.
    Pittkowski bog seinen schmerzenden Rücken durch. Seine anerzogene Autoritätsgläubigkeit brachte ihn dazu, Ruhe für den Kapitän zu fordern. Er hoffte so sehr, von ihm zu hören, was zu tun war. Zum einen fand er schlimm, was das schöne

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