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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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war klar für den Jungen: So wie der wollte er niemals werden.
    Ulf Galle brüllte hinter den vieren her: »Ihr könnt doch jetzt nicht einfach abhauen und mich hier im Stich lassen!«
    Leon Sievers zeigte ihm doof: »Wer lässt denn hier wen im Stich?« Er streckte noch einmal seine Zunge heraus und am liebsten wäre er zurückgelaufen, um Ulf Galle gegen das Schienbein zu treten, aber so etwas tat er nicht.
    Der Verkehr wälzte sich jetzt ein Stückchen vorwärts. Zwischen dem Fiat und der Stoßstange des BMW vor ihm waren jetzt gut zwei Meter Platz. Genug, um die Fahrer hinter Ulf nervös zu machen. Ein Hupkonzert begann. Ulf klemmte sich hinters Lenkrad und fuhr zwei Meter, um die anderen zu beruhigen. Er schlug mit der Faust aufs Lenkrad. Hier lief nichts nach Plan. Gar nichts.
    Doktor Husemanns Praxis in der Hans-Bödecker-Straße Nr. 64 sah von außen ganz normal aus. Die Eingangstür war verriegelt, doch laut Schild an der Tür war die Praxis noch für ein paar Stunden geöffnet. Direkt daneben gab es eine Apotheke. Sie machte allerdings einen geschlossenen Eindruck. Alle Lichter waren erloschen. Hinter der Verkaufstheke stand niemand.
    Frau Steiger kollabierte vor der Tür, während Bettina Göschl klingelte. Zunächst meldete sich niemand. Nach dem dritten Schellen dann war die Stimme einer Sprechstundenhilfe zu hören, die ganz so klang, als habe sie etwas Wichtigeres zu tun, als diese Sprechanlage zu bedienen. Der genervte Ton kam nicht nur durch die schlechte Übertragung zustande.
    »Ja, bitte? Wer sind Sie?«, hallte es blechern.
    »Mein Name ist Bettina Göschl. Ich komme mit einer Frau, die einen Schwächeanfall erlitten hat. Sie ist gerade zum zweiten Mal hintereinander ohnmächtig geworden. Bitte machen Sie die Tür auf. Wir brauchen dringend ärztliche Hilfe!«
    »Gehören Sie zu unserem Patientenstamm, Frau Göschl?«
    »Ich nicht. Ich bin nicht aus Emden. Bei mir ist Frau Steiger. Herr Husemann ist angeblich ihr Hausarzt. Jetzt machen Sie doch auf!«
    »Steiger, Steiger … welche Frau Steiger? Sibylle oder Therese?«
    »Das weiß ich nicht. Die alte Dame ist nicht bei Bewusstsein.«
    Frau Steiger war nicht ansprechbar. In ihren Augen war nur noch das Weiße zu sehen. Ihre Halsmuskulatur war erschlafft und ihr Kopf hing in Carlo Rosins Armen, als gehörte er nicht zu ihr. Ihr Körper war heiß und ihr Gesicht schien zu glühen.
    Leon bekam es jetzt zum ersten Mal mit der Angst zu tun.
    »Ich habe keine Ahnung, wie sie mit Vornamen heißt. Das ist doch auch völlig egal. Nun machen Sie schon auf!«
    »Ist sie Privatpatientin?«
    »Ich weiß das alles nicht und es kann auch jetzt keine Rolle spielen. Bitte öffnen Sie! Dies ist ein Notfall!«
    »Wenn das ein Notfall ist, dann sind Sie hier sowieso falsch. Für einen Notfall müssen Sie den Notruf wählen und direkt ins Unfallkrankenhaus …«
    »Das darf doch alles nicht wahr sein!«, stöhnte Carlo Rosin und brüllte in die Anlage: »Rosin, vom Veterinäramt Aurich! Wenn Sie jetzt nicht öffnen, werde ich dafür sorgen, dass Dr. Husemann Sie feuert, und zwar in hohem Bogen!«
    »Veterinäramt? Wir sind doch keine Tierarztpraxis!«
    Bettina atmete tief durch und versuchte es noch einmal ganz ruhig: »Gute Frau. Sie können doch nicht wollen, dass vor Ihrer Tür eine Frau …«, fast hätte sie gesagt »stirbt«, doch sie schluckte das Wort herunter. Sie wollte Leon nicht erschrecken. Außerdem hatte sie Angst, Frau Steiger könnte sie trotz der Ohnmacht hören. Sie hatte einmal gelesen, dass Komapatienten jahrelang jeden Besucher, jedes Wort mitbekommen hatten, obwohl sie keinerlei Regung zeigen konnten und wie versteinert waren.
    »Frau Göschl? Ich bitte Sie um Verständnis, wir müssen die Praxis für unsere Patienten geöffnet halten.«
    »Ja, genau darum geht es doch! Wir wollen in Ihre Praxis!«
    »Wir müssen Sorge tragen, dass das Virus nicht unsere Patienten ansteckt. Wir sind eine ganz normale Praxis für Allgemeinmedizin. Unsere Patienten haben Anspruch auf eine gute Versorgung und wir müssen aufpassen, dass das Wartezimmer nicht mit dem Virus infiziert wird. Leider haben wir keine Quarantäneräume. Wir sollten schon vor zwei Jahren zusätzliche Räume anmieten, um in solch einem Fall …«
    Frau Steiger wurde in Carlos Armen schwerer, woraus er folgerte, dass es mit ihr weiter rapide bergab ging. Fast konnte er ihren Atem nicht mehr wahrnehmen. Er zögerte, die Brust der alten Dame zu berühren. Es verstieß gegen seine gute

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