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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Mittel«, forderte Bettina Göschl. »Und Sie haben doch bestimmt auch ein antivirales Präparat, Tamiflu oder …«
    Die Sprechstundenhilfe verzog spöttisch den Mund. »Ja. Wir hatten sogar einen Vorrat von fünfzig oder sechzig Packungen. Aber der ist längst aufgebraucht.«
    »Dann geben Sie uns ein Rezept für die Apotheke und wir holen es.«
    »Dem Apotheker haben sie vor zwei Stunden den Kiefer gebrochen. Der Laden ist dicht.«

 
    32 Das Herannahen seines Vaters spürte Tim über die Bodenerschütterungen. Es war eine Vibration, die sich auf die Räder seines Rollstuhls übertrug und von dort auf seinen Körper. Er hörte ihn noch lange nicht, aber sein Körper war bereits in Alarmbereitschaft.
    »Du musst dich verstecken, Josy. Schnell! Er kommt. Er darf dich hier nicht sehen und den Vogel schon mal gar nicht.«
    Josy warf Tim einen missbilligenden Blick zu. Sie hätte lieber die Auseinandersetzung geführt, statt sich zu verkriechen. Sie scheute den Streit mit Tierquälern wie Jansen nicht. Aber sie fürchtete um das Leben der Küstenseeschwalbe.
    Sie wollte im Bad verschwinden, doch Tim schüttelte den Kopf: »Nicht da, nicht da. Der Alte hat irgendeine … doofe Blasenentzündung oder so und muss ständig. Geh in den Schrank.«
    »In den Schrank?«
    »Ja, da in den Schrank.«
    Josy öffnete die Schranktür. An den Kleiderbügeln baumelten Winterjacken und Mäntel mit Fell an Kragen und Ärmeln, wie sie vor zehn Jahren einmal modern gewesen waren. Sie schob die Mäntel zusammen und wollte sich mit dem Vogel in den Schrank quetschen, aber dann hielt sie inne.
    »Ist das echtes Fell?«
    »Ja, äh … ich weiß nicht. Ich …«
    Sie schüttelte sich und aus ihren wirren Haaren fielen Schuppen auf den Boden. Sie berührte einen Fellkragen mit den Fingern und verzog angewidert den Mund. »Das ist kein Kunststoff! Das ist richtige Tierhaut! Was seid ihr bloß für Schweine?! Du glaubst doch nicht, dass ich mich damit im Schrank einschließe?«
    »Josy, bitte! Er kommt.«
    Sie krümmte sich zusammen. Tim sah es ihr an: Es war dieser Frau unmöglich, in den Schrank zu kriechen. Ihr ganzer Körper rebellierte dagegen.
    Jetzt zuckte auch noch die Küstenseeschwalbe und öffnete den roten Schnabel. Josy legte sanft eine Hand um den Kopf und drückte den Schnabel wieder zusammen, um das »Kiu« zu verhindern.
    Inzwischen war Ubbo Jansen so nah, dass sie durch die Tür sein lautes Keuchen hören konnte. Josy rettete sich mit einem Sprung ins Badezimmer. Sie sah sich um. Die Kacheln waren weiß und der Raum kam ihr ein bisschen vor wie ein Schlachthaus. Klinisch sauber und abwaschbar. Es fehlten nur die Schlachterhaken an der Decke. Es gab ein großes Waschbecken, eine Toilette in Muschelform und eine Dusche mit Milchglasscheiben. Auf dem Boden lagen rosafarbene Badezimmermatten.
    In ihrer Tierschützergruppe gab es einen schwulen Mitstreiter, der hatte genauso eine Garnitur. Allerdings sah der Rest von seinem Bad wohnlicher aus.
    Hier roch es nach unangenehm scharfem Rasierwasser. Über dem Waschbecken stand auf einem Regal ein Rasierpinsel, daneben ein Nassrasierer mit auswechselbarer, breiter Klinge. Josy kannte solche Museumsstücke nur noch von Flohmärkten. Trotz der prekären Situation, in der sie sich hier befand, musste sie lächeln. Clint Eastwood hatte sich in einem Film mal so rasiert. Sie erinnerte sich daran. Sie war damals noch viel zu jung gewesen für den Film und hätte gar nicht ins Kino hineingedurft. Sie fand die Szene unglaublich erotisch. Später träumte sie manchmal davon. Sie stellte sich vor, wenn sie mal einen Freund hätte, müsste der sich auf jeden Fall morgens nass rasieren, mit Schaum im Gesicht.
    Einer Eingebung folgend, stellte sie sich in die Duschkabine und schloss die Milchglasscheiben. Sie hörte Vater und Sohn miteinander reden. Die Stimme von Ubbo Jansen kam ihr geradezu militärisch energisch vor. Er trumpfte groß auf, weil er es irgendwelchen Typen wohl so richtig gegeben hatte und die jetzt sehen würden, mit wem sie es zu tun hätten. So, wie er sprach, hätte er bei jeder Macho-Olympiade einen der ersten Plätze belegen können.
    Der Vogel in ihren Händen begann zu zittern. Er versuchte, mit den Flügeln zu schlagen und Töne von sich zu geben. Josy traute sich nicht, den Schnabel noch fester zuzudrücken. Sie wollte dem Tier auf keinen Fall wehtun.
    Da hörte sie Ubbo Jansens inquisitorische Frage: »Wo kommen denn die Federn hier her?«
    Tim lachte ein bisschen zu laut

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