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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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suchte Blickkontakt zu Kapitän Ole Ost, aber der wurde gerade samt seinen zwei Matrosen von der Menschenmenge abgedrängt. Intuitiv erfasste Benjo Koch die Situation. Einige Passagiere versuchten offenbar, Kapitän und Mannschaft daran zu hindern, das Schiff nach Emden zurückzubringen.
    Er machte noch einen Versuch. Er zeigte auf den Kellner. »An Ihrer Stelle wäre ich ganz leise! Wenn die Kleine stirbt, dann haben Sie sie auf dem Gewissen!«
    Das Unmissverständliche seiner Worte sorgte einen Moment für Ruhe. Er nutze die Gelegenheit und brüllte durch den Saal: »Ist ein Arzt an Bord? Wir brauchen einen Notarzt!«
    »Alle Crewmitglieder haben eine Erste-Hilfe-Ausbildung!«, rief der Kapitän, wie um sich selbst zu retten, indem er sich und seine Leute wichtig machte. In dem Moment traf ihn eine Faust in den Magen. Er kippte nach Luft ringend um.
    Pittkowski donnerte die Toilettentür mit einem Fußtritt zu und drohte: »Bleibt da drin oder ich raste aus! Und wehe hier macht noch mal einer die Tür auf!«
    Helmut Schwann und der Schulsprecher wechselten nur kurz Blicke. Sie waren sich einig. Helmut Schwann verkündete: »Wir bleiben erst einmal, wo wir sind. Hier auf dem Meer kann uns nichts passieren. Hier warten wir in Ruhe ab, was geschieht.«
    Der Kapitän rappelte sich auf und widersprach: »Sie können nicht die Herrschaft über dieses Schiff übernehmen! Das ist eine strafbare Handlung!«
    »Hahaha! Strafbare Handlung?! Im Grunde ist so eine Fähre wie ein Taxi, nur eben auf dem Wasser. Wer zahlt, bestimmt. Wir haben alle bezahlt und wir bestimmen auch, wohin die Reise geht.«
    Ole Ost wurde von mehreren Händen gegriffen. Sie zerrten an seiner Uniform. Er riss sich los. »Das ist Meuterei! Das wird Ihnen noch leidtun!«
    »Durchsucht sie nach Waffen und fesselt sie«, befahl Henning Schumann. Er wusste es vom Schulhof: Die schwachen Schüler waren die Ersten, die folgten, weil sie seine Entschlossenheit spürten. Dann erst kamen die, die unbedingt bei den Gewinnern sein wollten. Jetzt war es ähnlich, das spürte er wie ein Kribbeln auf der Haut. Es ging darum, wer hier das Sagen hatte. Der Kellner war – nach der Attacke der kleinen Viola – als Anführer erledigt.
    Noch glaubte Ole Ost, die Menschen zur Vernunft bringen zu können: »Der Seegang wird uns gegen die Küste treiben. Das kann ein Havarie geben und …«
    Weiter kam er nicht, da traf ihn die Faust erneut.
    Diesmal verlor er für ein paar Sekunden das Bewusstsein. Wie ein angeschlagener Boxer, der die rettende Ringecke sucht, stehend k. o., taumelte er fast blind durch den Raum. Als er die Augen öffnete, blickte er in den Lauf einer schwarzen Pistole. Er kannte den Waffentyp nicht und hätte folglich auch nicht sagen können, ob es sich um ein Spielzeug handelte, eine Gaspistole oder eine Imitation für Softairduelle. Langsam hob er die Arme, ungläubig, dass ihm an Bord der Ostfriesland III so etwas passierte. Ein Kollege von ihm war vor Somalia von Piraten angegriffen worden. Sie hatten sein Containerschiff gekapert und ihn sogar fast eine Woche gefangen gehalten. Heutzutage musste man auf See mit viel Ärger rechnen, aber doch nicht auf einer Fähre zwischen Emden und Borkum!
    Lukka wurde das Ganze hier zu heiß. Sie drängelte sich durch zum Fahrzeugdeck. Sie wollte in ein schützendes Auto. Und sie hatte Glück. Charlie nahm sie nur zu gern in seinem Golf auf. Der Airbag war inzwischen erschlafft und hing aus der Mitte des Lenkrads, als würde der Wagen den Insassen die Zunge herausstrecken.
    Von dem älteren Mann und seiner Frau, die ein bisschen verwirrt zwischen den parkenden Autos herumliefen, als hätten sie vergessen, wo ihr Wagen geparkt war, erwartete sie nichts Böses. Aber als Charlie die Tür öffnete, um Lukka auf den Beifahrersitz zu lassen, machte der grau melierte Rentner einen katzenhaften Sprung, den Lukka ihm niemals zugetraut hätte, und riss sie von der Tür weg.
    »Wir waren zuerst da!«, sagte er und wollte sich an ihr vorbei in den Golf drängen.
    Charlie wehrte ihn ab. »Nein! Nein! Ich habe gesagt, ich nehm Sie nicht auf! Das ist mein Auto! Sie können doch nicht einfach einsteigen!«
    »Warum nicht? Warum sie? Warum nicht meine Frau und ich?«, wollte der Mann wissen und zeigte sein weißes Gebiss wie ein hungriges Raubtier. Charlie musste an den abgebissenen Finger denken und zog sich so weit wie möglich in seine Fahrerecke zurück. Das deutete Eberhard Thiele als Unterwerfungsgeste und kroch auf den

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