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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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verurteilen, für verantwortlich erklären und am Ende müsste garantiert auch jemand den entstandenen Schaden begleichen. Wie immer das hier ausging, sie wollte nicht zu den Verlierern gehören. Besser, man bleibt anonym, dachte sie sich.
    »Ich kenne euch doch«, sagte Henning Schumann. Er wollte es sich mit ihnen nicht verderben. Wer weiß, wie viele Abstimmungen hier noch nötig waren, und er als zukünftiger Politiker wog ab, ob sie als Bündnispartner zu gewinnen waren oder nicht. Er wollte sie nicht verprellen, sondern eine Verbindung herstellen, Gemeinsamkeiten suchen.
    »Wir kennen uns doch von dem Open Air in Emden.«
    »Ach du warst das, der mir die ganze Zeit auf den Busen geglotzt hat«, blaffte Antje.
    »Okay, wenn ihr mir eure Namen nicht sagen wollt, dann reicht mir auch die Autonummer.« Schumann ging zwei Schritte zurück, um sie abzuschreiben.
    Es hielt Charlie kaum noch im Wagen. »Moment mal, Moment mal, du kannst nicht einfach meine Autonummer aufschreiben!«
    »So? Kann ich nicht? Vier Stimmen für Schiermonnikoog. Korrekt?«
    »Hör mal, jetzt mach dir nicht in die Hose, nur weil der dein Kennzeichen aufschreibt«, fuhr Antje Charlie an. »Was ist schon passiert? Es ist deine Karre, sie ist bezahlt, versichert und ordentlich angemeldet. Wir sitzen auf dieser Scheißfähre in deinem Scheißauto und warten darauf, dass wir irgendwann aussteigen können. Daraus kann uns nun wirklich keiner einen Strick drehen!«
    »Ich brauche einen Arzt«, jammerte Lukka. »Es hört gar nicht auf zu bluten. Es hört gar nicht auf. Mir ist schon ganz schwindlig. Ich verblute hier, wenn nicht bald was passiert.«
    »Vielleicht sollten wir raus und die Alte über Bord schmeißen«, schlug Antje vor und es klang durchaus ernst gemeint.
    »Nein, bitte, bitte, mach keinen Scheiß. Ich brauche einfach einen Arzt. Guck mal, es wird doch immer schlimmer.«
    »Bist du Bluter oder so was?«, fragte Charlie.
    »Nein, nein, ich hatte nie irgendwelche Probleme. Ich versteh das gar nicht. Warum hört das nicht auf?«
    Charlie beugte sich zu ihr vor. »Lass mich mal in deinen Mund gucken.«
    Sie konnte die Lippen nicht wirklich schließen, aber auch nicht weiter als zwei Zentimeter öffnen. In ihrem Mund war alles nur rot.
    »Ich glaube«, sagte Charlie, »sie braucht wirklich einen Arzt. Aber um Himmels willen, wie sollen wir das anstellen? Ansteckend ist das hier garantiert nicht. Ich glaube, irgendeine wichtige Arterie oder was ist kaputtgegangen. Vielleicht hat die Alte ihr den Kiefer angebrochen und die Splitter haben dann …«
    »Hör auf!«, kreischte Antje. »Hör auf! Ich will das nicht hören! Halt den Mund!«
    Charlie war so aggressive junge Frauen nicht gewöhnt. Er fragte sich, woher das kam.
    »Wir haben alle die Nerven blank«, sagte er ratlos. »Wir sollten jetzt etwas runterkommen. Erst mal in Ruhe durchatmen und dann überlegen, wie …«
    »Ich verblute«, stöhnte Lukka wieder. Beim Sprechen schwappte Blut über ihre Unterlippe auf den Beifahrersitz. »Ich verblute.«
    Henning Schumann war jetzt beim Ehepaar Thiele. Sie wollten sich an gar keiner Abstimmung beteiligen, sondern einfach nur nach Borkum. Schließlich hatten sie dort ein Hotelzimmer gebucht. Herr Thiele nannte bereitwillig seinen Namen und den seiner Frau. Er wollte auch noch seine Adresse nennen, aber die schrieb Henning sich nicht auf. Er befürchtete, der Block könne sonst nicht reichen.
    »Haben Sie auch die Namen von denen da?«, fragte Eberhard Thiele. »Die hätte ich gerne. Ich will sie nämlich verklagen. Die mit den roten Haaren und dem Geiergesicht ist auf meine Frau losgegangen. Und die andere hat meine Brille zertreten.«
    Henning Schumann sah sich noch einmal um. »Meinen Sie die Frauen in dem Golf da?«
    »Ja.«
    Henning konnte keine mit einem Geiergesicht darin entdecken. Er hoffte, nie im Leben auf eine Zeugenaussage von Herrn Thiele angewiesen zu sein.

 
    39 Um eine Ausbreitung des Virus in seinen Räumen zu verhindern, untersuchte Dr. Husemann seine Patienten der Reihe nach im Hausflur. Am liebsten hätte er die Praxis geschlossen und sich selbst krankgemeldet. Er war nur noch hier, weil seine Frau gedroht hatte, sich von ihm scheiden zu lassen, wenn er die Patienten jetzt im Stich ließe und seiner Pflicht als Arzt nicht nachkäme. Sie hatte eigentlich nicht so sehr ihn geheiratet, sondern mehr das Bild, das sie von einem tollen Arzt hatte. Ihr Mann sollte ein zweiter Albert Schweitzer sein – am besten ein Heiliger. Sie

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