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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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beim Veterinäramt Aurich. Sie können also ein offenes Wort mit mir reden. Ich unterstütze im Moment die Kollegen vom hiesigen Gesundheitsamt.«
    »Ich bin nur ein kleines Rädchen im Gesundheitsräderwerk. Ich habe keine Ahnung. Jedenfalls können Sie die Frau nicht hier im Hausflur liegen lassen. Der gehört nicht mal zu meiner Praxis. Das ist ein ganz normales Wohnhaus. Ich muss mich um die Lebenden kümmern.«
    Carlo Rosin schlug sich mit der rechten Faust in die linke Handfläche. »Wohin soll ich Ihrer Meinung nach die Tote bringen, Dr. Husemann? In ihre Wohnung? Zur Müllhalde?«
    Dr. Husemann straffte sich mit einem leisen Stöhnen und legte beide Hände auf die Lendenwirbelsäule. Wenn er sich so sehr überfordert fühlte, spürte er den Ischiasnerv besonders.
    »Ich weiß es doch auch nicht, Herrgott noch mal! Sie können sie jedenfalls nicht bei mir lassen.«
    »Dann rufen wir jetzt die Polizei«, schlug Carlo Rosin vor.
    »Ja«, erwiderte Dr. Husemann, »und wir bestellen uns schon mal einen Tannenbaum, damit wir gemeinsam mit den Beamten Weihnachten feiern können, wenn sie dann endlich da sind.« Er ging ein paar Schritte zurück, breitete die Arme aus und brüllte: »Mensch, kapieren Sie das nicht? Es gibt keine Polizei mehr! Keine normalen Wege! Kein Bestattungsinstitut, das noch Kapazitäten hat! Sie können nicht einfach den Notarzt holen! Hier ist alles restlos zusammengebrochen. Das hier ist kein Versuch der Pharmaindustrie, uns ihren Impfstoff anzudrehen. Diesmal ist alles echt. Die jungen Leute, die auf dem Open-Air-Konzert waren, hat es reihenweise erwischt!«
    »Dieses Scheißvirus hat keine vierundzwanzig Stunden gebraucht, um die ganze Stadt lahmzulegen?«
    Dr. Husemann schüttelte den Kopf und wischte sich mit dem Handrücken einen Tropfen von der Nase. »Nein, nicht das Virus. Die Menschen sind es, in ihrer Panikreaktion.«

 
    40 Als der Polizist Oskar Griesleuchter das Hotel »Kachelot« betrat, lächelte die freundliche blonde Ostfriesin hinter der Rezeption ihm zu und scherzte: »Oh, wir haben doch hoffentlich keine Verbrecher unter unseren Gästen!«
    »Nein, ich muss nur eine Zeugin etwas fragen. Eine junge Frau, zwanzig, höchstens fünfundzwanzig. Sie trägt so ein weißes Leinenkleid. Muss vor einer Stunde ins Hotel gekommen sein.«
    »Ja, Chris Mertens. Sie wartet hier auf ihren Freund. Der sitzt wohl auf der Fähre, die nicht landen konnte. Wissen Sie mehr darüber?«
    »Nein. Aber ich brauche die Zimmernummer.«
    »Dreihundertzwei.«
    »Danke.«
    Er nahm nicht den Fahrstuhl, sondern stürmte die Treppe hoch, jeweils drei Stufen mit einem Schritt. Es tat ihm gut, sich zu bewegen. So spürte er seinen Körper.
    Ihr Zimmer lag gegenüber vom Fahrstuhl. Er klopfte. Von innen ertönte ein verhaltenes »Ja?«.
    »Polizei. Ich muss Sie sprechen. Bitte machen Sie auf.«
    Was tue ich hier?, fragte er sich. Warum mache ich das? Was ist los mit mir?
    »Moment. Ich muss mich erst … Ich bin noch nicht … Einen Augenblick bitte!«
    Während Chris sich rasch anzog, rief sie durch die Tür: »Wissen Sie etwas von der Ostfriesland III? Bringen Sie Hilfe? Mein Freund hat mich angerufen. Die brauchen einen Hubschrauber und ganz dringend ein Ärzteteam! Ich habe schon alles versucht, aber …«
    Sie öffnete die Tür, während sie ihr Kleid noch mit fahrigen Bewegungen am Körper glatt strich. Ihre Haare waren durcheinander, was ihre Schönheit noch unterstrich. Sie sah ein bisschen aus, als sei sie gerade aus einem tiefen Schlaf erwacht und dem Bett entstiegen.
    Oskar Griesleuchter bekam feuchte Hände. Er wusste nicht, wo er sie lassen sollte. Er wischte sie an den Hosenbeinen ab.
    »Kommen Sie doch rein. Was ist denn? Warum stehen Sie denn so da?«
    Der Mann war merkwürdig linkisch. Etwas stimmte nicht mit ihm. Sie hatte ihn schon früher mehrfach an der Promenade gesehen und er war gerade mit ihr in der Inselbahn gefahren. Er machte einen verstörten Eindruck auf sie und kam ihr ein bisschen spooky vor. Trotzdem gab seine Uniform ihr die Hoffnung, mit seiner Hilfe könne sie etwas für Benjo tun.
    Sie faltete die Hände wie zum Gebet. »Bitte, wie gesagt, ich hab schon alles versucht, um einen Rettungshubschrauber zu besorgen. Ich komme nirgendwo durch. Die spielen mir in der Warteschleife Platten vor und schalten mich von einem Apparat zum anderen weiter. Ich glaube, ich rede nur mit Maschinen. Ich … Sie schaffen das doch bestimmt, Ihnen stehen doch ganz andere Wege zur Verfügung

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