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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Griesleuchter ein paar Meter hinter Chris her. Sie hielt seine Dienstwaffe in der Hand wie eine Eiswaffel. Plötzlich entriss er sie ihr von hinten und hastete an der Rezeption vorbei nach draußen. Chris folgte ihm nicht mehr.

 
    41 Oskar Griesleuchter rannte zunächst ziellos. Er lief nicht auf etwas zu, sondern nur von etwas weg. In dieser surrealen Szenerie der Innenstadt, mit vermummten Touristen, die in Supermärkten Hamsterkäufe veranstalteten, passte ein rennender, völlig durchgeschwitzter Polizist gut ins Bild.
    An der »Heimlichen Liebe«, seinem Lieblingsrestaurant, hielt er kurz an und sah aufs Meer. Als Wasserleiche darin herumzuschwimmen, erschien ihm im Moment durchaus erstrebenswert. Er schämte sich so sehr! Er wusste nicht, wohin mit seinen verwirrenden Gedanken und Gefühlen. Er konnte seiner Mutter so nicht unter die Augen treten. Hatte er überhaupt einen Freund, mit dem er sich austauschen konnte? Einen, vor dem er keine Geheimnisse haben musste? Wenn, dann war das Philipp Reine.
    Philipp hatte ihm sogar mal ein Bild abgekauft und an seine Freundin verschenkt. Philipp war das, was Oskar manchmal gern gewesen wäre: ein ungebundener Weltenbummler, der sich etwas ansah und keine Lust hatte, irgendwo sesshaft zu werden.
    Philipp, der mit seinen Freundinnen Swingerclubs besuchte und damit angab, Sadomasosachen ausprobiert zu haben, der würde ihn vielleicht verstehen oder auf jeden Fall nicht sofort verurteilen.
    Ja, er musste zu Philipp. Vor zwei Tagen war er aus New York zurückgekommen. Gern wäre er langsam, ohne Hast, zu ihm gegangen, aber das konnte er nicht. Er musste in Bewegung bleiben und mit großen, schnellen, ausladenden Schritten weiterhetzen.
    Es gab in Wittmund eine Polizeipsychologin mit einem großen Busen und einem noch größeren Herzen. Einige Kollegen spotteten darüber, es lohne sich nicht, dahin zu gehen, die bekäme sowieso keiner ins Bett, weil sie eine Lesbe sei. Aber andere, die wirklich in Not waren, sprachen voller Hochachtung von ihr.
    Sie hatte einen Kollegen, der in dem Glauben, auf einen Einbrecher zu schießen, den Sohn der Überfallenen Familie getötet hatte, vor dem Selbstmord bewahrt. Aber konnte er über das, was mit ihm passierte, mit einer Frau sprechen? War es überhaupt möglich, mit irgendjemandem darüber zu reden?
    Er wollte es mit Philipp versuchen. Er musste es schnell tun, bevor er den Mut dazu verlor. Er rannte und stellte sich vor, wie er es Philipp sagen würde. Ob er die richtigen Worte finden würde?
    Ich habe Fantasien. Ich stelle mir vor, einen Menschen zu zerstückeln. Ich habe so etwas noch nie getan, ich kann keiner Fliege etwas zuleide tun. Heute, plötzlich, ist es über mich gekommen …
    Völlig erschöpft kam er vor Philipps Tür an. Er klopfte und klingelte. Als niemand öffnete, wusste er zunächst nicht weiter. Seine Knie zitterten, fast sackte er zusammen.
    Er drehte sich um. Hinter ihm ging ein vermummtes Pärchen vorbei. Er kannte die beiden gut; sie grüßten ihn und nannten ihn beim Namen. In ihren Augen sah er die Verwunderung über sein Aussehen. Sie bemühten sich, es ihn nicht merken zu lassen, aber sie schauspielerten nicht gut genug.
    Ich muss hier weg, dachte er. Ich kann nicht auf der Straße herumstehen.
    Er beschloss, in der Wohnung auf Philipp zu warten. Philipp würde das verstehen. Er konnte bei ihm duschen, vielleicht ein paar andere Sachen anziehen. Sich ein bisschen erholen und dann …
    Er gehörte nicht zu den Kollegen, die einen Schlüsseldienst riefen, wenn eine Tür geöffnet werden musste. Mit seinen Grafikerfingern verstand er es, mit feinem Werkzeug umzugehen. Im Urlaub in der Schweiz hatte er spaßeshalber einmal bei einem Wettbewerb mitgemacht, wer am schnellsten Sicherheitsschlösser öffnen konnte.
    Nein, das waren keine Kriminellen, sondern hochanständige, gutbürgerliche Leute. Zahnärzte, Architekten, sogar ein Literaturprofessor. Es ging um handwerkliches Geschick und Spaß an der Sache. Seitdem wusste er, dass Schlösser für jeden Einbrecher nichts weiter waren als eine sportliche Herausforderung. Wirklich sicher konnte niemand sein Haus machen. Je dicker und teurer das Schloss war, umso sicherer fühlte sich der Hausherr und für dieses Gefühl zahlte er. Ein Hindernis für Einbrecher stellte es ganz sicher nicht dar.
    Dieses hier wäre nicht mal beim Wettbewerb zugelassen worden, so einfach war es zu knacken.
    Er sah sich auf dem Boden um. Zum Glück aßen die Touristen gerne Eis am

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