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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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losgerissen werden konnte.
    Fokkos Körper verkrampfte sich jetzt wieder in rhythmischen Zuckungen.
    »Halt still, Mensch, halt still! So krieg ich das nicht ab!«
    Ole Ost rückte näher an die Beretta auf dem Boden heran. Nur noch zwanzig Zentimeter, dachte er.
    Kirsch hatte das Gefühl, einen Sterbenden zu berühren. Jetzt, da er so nah dran war und den Kopf Poppingas zwischen den Händen hielt, begriff er endlich, in welch gefährlichem Zustand der Mann war. Er wollte nicht an seinem Tod schuld sein. Er machte das hier, um Menschenleben zu retten, nicht, um sie zu vernichten. Warum musste sich die Mannschaft auch so querstellen? Es hätte alles so einfach sein können.
    Dann bekam er endlich den Ansatz vom Klebeband zu fassen. Doch seine Fingernägel waren einfach zu kurz. Er konnte es nicht richtig losknibbeln.
    »Hilf mir doch mal, verdammt!«
    Pittkowski bückte sich, und als er die geweiteten Pupillen und die blauen Lippen von Fokko Poppinga sah, bekam auch er es mit der Angst zu tun.
    »Scheiße, der geht drauf!«
    Schwann kramte in der Windjacke nach seinem Schweizer Messer. Er hatte das Offiziersmesser immer bei sich. Schon war es in seiner Hand und er klappte die Klinge heraus.
    »Hier«, sagte er und hielt es den beiden hin.
    Pittkowski nahm das Messer und versuchte, die Spitze zwischen Haut und Klebeband zu schieben. Dabei schnitt er tief in Fokkos Lippe, aber er durchtrennte das Band.
    Jetzt packte Rainer Kirsch es und riss es von Poppingas Mund. Der japste aber nicht nach Sauerstoff, wie alle erwartet hatten. Sein Brustkorb hob sich nicht; es war, als hätten seine Lungen das Atmen aufgegeben.
    Pittkowski schlug ihm ins Gesicht. »Atme! Atme, verdammt!«
    »Sie müssen ihn von Mund zu Mund beatmen!«, schrie Ole Ost. »Er braucht jetzt Sauerstoff. Pumpen Sie ihn voll!«
    Kirsch wusste, dass er das nicht schaffen konnte. Der Schnitt über der Lippe ließ das Blut sprudeln, es tropfte in Poppingas Mund und lief an seinem Hals herunter.
    Pittkowski schüttelte den am Boden Liegenden. »Atme, verdammt! Du sollst atmen!«
    Er stieß ihn mehrfach gegen die Brust, dann setzte ein schwaches, schnappendes Luftholen ein.
    »Er lebt!« Pittkowski freute sich. »Er lebt!«
    »Ist der krank? Hat er das Virus? Sollen wir ihn zu den anderen sperren?«, fragte Kirsch.
    »Der ist nicht krank!«, brüllte der Kapitän. »Der hat höchstens einen Schnupfen! Und wenn Sie ihm dann den Mund verkleben, ist es so, als würden Sie ihn erwürgen. So, und jetzt lassen Sie endlich diesen Blödsinn! Machen Sie mich los und ich übernehme wieder das Kommando über das Schiff! Wo kämen wir denn hin, wenn überall einfach abgestimmt würde, was als Nächstes geschehen soll? Zufällige Mehrheiten würden völlig willkürliche Entscheidungen fällen. Rennen Sie doch in irgendeine Kneipe und fragen Sie die Gäste, wer dafür ist, dass es Freibier gibt. Alle werden dafür sein, alle! Aber nach ein paar Tagen ist dann die Kneipe zu und das passt auch keinem!«
    Henning Schumann, der Schulsprecher, schob sich in den Raum. »Was ist denn hier los?«
    Ole Ost merkte, dass die Leute ihm zuhörten. Er versuchte, weiter zu argumentieren. Solange ich mit ihnen in Kontakt bin und sie auf meine Worte hören, habe ich eine Chance, sie zu überzeugen, dachte er. Der Schock, dass Fokko fast gestorben wäre, hat vielleicht einige wachgerüttelt.
    »Jeder will ein Handy benutzen, ist aber gleichzeitig gegen Mobilfunkanlagen. Wenn Sie überall abstimmen lassen, wer gegen die Anlagen ist, gibt es bald keine mehr. Aber wer von Ihnen hat kein Handy? Wer? Natürlich wollen Sie alle Ihr Telefon benutzen, aber keiner will eine Mobilfunkanlage vor seiner Haustür … So geht das nicht. Wir brauchen eine Ordnung, nach der entschieden wird. Ich bin hier der Kapitän. Was ich sage, zählt. Ich verspreche Ihnen, dass ich Sie sicher nach Hause bringen werde. Niemand muss um sein Leben fürchten.«
    Henning Schumann mischte sich ein. »Papperlapapp, was soll das heißen: Wo kämen wir denn da hin? So redet einer, wenn er nicht weiterweiß. Was wäre denn, wenn alle sagten: Wo kämen wir hin, und niemand ginge mal, um nachzugucken, wo wir hinkämen, wenn man ginge?«
    »Ja, genau«, rief Pittkowski, »genau! Wenn was Altes nicht mehr funktioniert, muss man was Neues ausprobieren.«
    Dieser Junge ist gefährlich, dachte Ole Ost. Er und dieser Schwann sind in der Lage, die Passagiere zu führen. Wenn ich die beiden spalte oder einen von ihnen auf meine Seite kriege,

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