Todesbrut
Stiel und warfen die dünnen Hölzchen einfach auf den Boden, wenn sie ihr Eis geschleckt hatten. Vermutlich hielten die meisten das für Biomüll. So ein Holzstiel reichte als Türöffner normalerweise aus, aber noch besser war der Pommespicker aus rotem Plastik, der vorwitzig oben aus dem Mülleimer ragte.
Er nahm beides, entschied sich aber angesichts des Schlosses für den Pommespicker und war zwanzig Sekunden später drin.
Die Luft in der Wohnung roch merkwürdig verbraucht. Oskar kam sich vor, als würde er einen überdimensionalen Rachen betreten, von jemandem, der sich seit Wochen die Zähne nicht geputzt, dafür aber mit Spiritus gegurgelt hatte.
Er sah die Gallone Whiskey, von der Philipp ihm bereits erzählt hatte. Die Badezimmertür stand offen. Das Wasser lief. Mit wenigen Schritten durchquerte Oskar das Zimmer. Ein harter Wasserstrahl prasselte ins Becken. Im Badezimmer war auch das Licht an. Zuerst sah er die Beine von Philipp. Wie weggeworfen, so sah es aus.
Er wusste sofort, dass sein Freund tot war. Aber es war nicht nur die Körperhaltung, die ihn das erkennen ließ … Philipp … er war seelenlos.
Oskar hob ihn an den Schultern hoch und zerrte ihn aus dem Bad ins Wohnzimmer. Dort bettete er ihn aufs Sofa. Dann ging er ins Badezimmer zurück und drehte den Wasserhahn zu.
Was jetzt?, dachte er. Verdammt, was jetzt?
Die Angst vor dem, was mit ihm selbst geschehen könnte, war größer als die Trauer um den verlorenen Freund. Er setzte sich auf den Boden und streichelte das kalte Gesicht von Philipp Reine. Fast beneidete er ihn. Er hatte es schon hinter sich.
42 Fokko Poppingas Nase hörte sich an wie ein verstopfter Wasserschlauch. Der Matrose hatte den Kopf in den Nacken gelegt und versuchte, jedes Luftholen mit einem Aufbäumen des gesamten Körpers zu unterstützen.
Ole Ost sah, was mit Fokko passierte, und versuchte, sich bemerkbar zu machen, indem er mit beiden Füßen immer wieder fest auf den Boden klopfte.
Tjark Tjarksen saß starr und wagte es nicht, sich zu bewegen. Ihn hatte die Angst im Griff. Er schloss mit seinem Leben ab. Es tat ihm leid, dass er sich von seiner Frau im Streit getrennt hatte. Jetzt, da er glaubte, dass das Ende nahte, spürte er, wie sehr er sie liebte und ihr verbunden war.
Fokko Poppingas Pupillen weiteten sich. Er hatte bereits tonischklonische Anfälle. Sein Körper wurde von einem Krampf geschüttelt, die Gesichts- und Halsmuskulatur verzerrte sich fratzenhaft. Dann zuckten seine Arme und Beine und seine blasse Gesichtsfarbe begann, sich bläulich zu verfärben. Er schlug mehrfach mit dem Kopf gegen die Kante des Tischbeins.
Aufgebracht stürmte Rainer Kirsch in den Raum. Es lief nicht so, wie er gehofft hatte. Er kniete sich vor dem Kapitän auf den Boden, um in Augenhöhe mit ihm zu sein, und riss das Isolierband von seinem Mund. Gleichzeitig drückte er seine Beretta an den Kopf des Gefesselten.
»Ich lass mich nicht von euch verarschen! Wie viele Männer hast du noch an Bord? Sie sabotieren mich! Alle Maschinen sind gestoppt und wir kriegen sie nicht wieder an. Was habt ihr gemacht?«
Der Kapitän wies mit seiner Nase zu Fokko Poppinga. »Machen Sie den Mann frei. Er erstickt.«
Rainer Kirsch schlug mit der Waffe gegen Ole Osts Stirn. »Das ist mir scheißegal! Erst hilfst du uns, dann helf ich dir! Eure Saboteure missachten den Willen der Passagiere und ich werde deren demokratischen Willen durchsetzen. Wir haben abgestimmt. Es gibt ein klares Ergebnis. Wir fahren nach Schiermonnikoog. In einer Demokratie muss man sich der Mehrheit fügen. Hat dir das niemand beigebracht?«
Fokko Poppingas Körper neben ihnen erschlaffte plötzlich.
»Er atmet fast nicht mehr. Wenn Sie ihm das Klebeband nicht abmachen, ist das Mord! Ich werde Sie dafür verantwortlich machen. Sie werden Ihres Lebens nicht mehr froh, wenn Sie den Mann hier sterben lassen! Er heißt Fokko Poppinga. Er ist sechsundzwanzig Jahre alt, er hat eine junge Frau und ist vor zwei Wochen Vater geworden.«
Rainer Kirsch fühlte sich in die Enge getrieben. Hinter ihm kamen jetzt Helmut Schwann und Pittkowski in den Raum.
»Was ist denn nun«, rief Pittkowski, »kriegen wir die Scheißmotoren wieder an oder nicht?«
Rainer Kirsch legte die Beretta vor sich auf den Boden und versuchte, Fokko Poppinga vom Klebeband zu befreien, um ihm wieder eine regelmäßige Atmung zu ermöglichen. Aber das Band war mehrfach über Mund und Nacken verklebt und er fand das Ende nicht, von dem aus es
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