Todescode
fest. Drei Leute an einem Tag, die versuchen, mich zu töten. Wer würde da nicht verrückt werden?«
Sarah antwortete nicht. Nein, natürlich nicht. Er kam näher. Sie wich zurück in eine Ecke, die Wand auf der einen Seite, der Nachttisch auf der anderen.
»Sie haben mich tatsächlich eine Weile getäuscht«, sagte er. »Alle Achtung. Aber damit ist jetzt Schluss. Der Typ, der mir an Alex’ Haus aufgelauert hat, hat mir alles erzählt, bevor er starb. Ich musste ihn erst ein wenig bearbeiten, aber schließlich hat er geplaudert.«
»Ich will das nicht wissen«, sagte sie.
Er trat noch näher. »Dann hätten Sie sich aus der Sache raushalten sollen. Aber ich habe eine gute Nachricht für Sie. Wenn Sie mir eine einzige Frage zu meiner Zufriedenheit beantworten, passiert Ihnen nichts.«
»Welche Frage?«
»Für wen arbeiten Sie?«
»Sie reden kompletten Blödsinn!«
»Tja, das ist die falsche Antwort.«
Und plötzlich ging sie auf ihn los. »Würden Sie gefälligst aufhören, mich als Feind anzusehen?«, schrie sie und bohrte ihm einen Finger in die Brust. »Meine Familie stammt aus dem Iran, und das genügt Ihnen! Es kann passieren, was will, Sie biegen es sich in Ihrem Schädel so zurecht, dass es beweist, was Sie glauben wollen! Wieso? Wieso müssen Sie glauben, dass ich Ihr Feind bin? Was haben Sie davon?«
Vor lauter Verblüffung trat er beinahe einen Schritt zurück, blieb aber dann doch stehen. Er war sich seiner Sache so sicher gewesen, als er hereingekommen war, dass er erwartet hatte, sie würde auf der Stelle einknicken. Oder es wenig überzeugend abstreiten und dann einknicken. Mit einem Gegenangriff hatte er nicht gerechnet. Schon gar nicht mit einem so lauten, was Aufmerksamkeit erregen könnte. Er musste die Situation wieder in den Griff bekommen.
»Irgendjemand hat heute Nacht einen Anruf getätigt«, sagte er. Er kam sich auf einmal albern vor mit der auf sie gerichteten Pistole. Und aus dieser Nähe und in ihrem aufgebrachten Zustand bestand sogar ein gewisses Unfallrisiko. Er schob die Pistole ins Holster. »Jemand, der wusste, dass ich zu Alex’ Haus fahren würde. Und das können nur Sie gewesen sein.«
»Was reden Sie denn da? Ich hatte keine Ahnung, dass Sie zu Alex’ Haus wollten. Ich hatte keine Ahnung, wohin Sie wollten. Sie haben bloß gesagt, Sie müssten noch was erledigen.«
»Sie hätten es sich zusammenreimen können.« Sobald er es ausgesprochen hatte, hörte es sich dumm an. Himmelherrgott, war das wirklich alles, worauf er seinen Verdacht stützte? Nein, der Typ hatte auch gefragt, wo Alex war. Aber vielleicht nur deshalb, weil ihnen Sarah egal war? Es ging ihnen in erster Linie um Alex, das lag auf der Hand. Wer weiß, vielleicht wussten sie ja nicht mal, dass die Anwältin auch untergetaucht war. Wer immer sie waren, ihre Mittel waren nicht unbegrenzt. Womöglich sparten sie sich Sarah für später auf, falls sie sich überhaupt für sie interessierten.
»Also, dieser Typ, den Sie heute Abend gefoltert haben«, sagte sie. »Was hat er Ihnen erzählt? Nichts hat er Ihnen erzählt, gar nichts. Das erfinden Sie bloß. Um mir Angst einzujagen.«
Er hatte nicht gesagt, dass er jemanden gefoltert hatte, nicht direkt, obwohl er gehofft hatte, sie mit der Vorstellung zu ängstigen. Egal, irgendwas war hier nicht richtig. Besser gesagt, irgendwas war nicht falsch. Sie war allein im Zimmer, unbewaffnet, hatte geschlafen oder sich zumindest ganz überzeugend schlafend gestellt. Das ergab alles keinen Sinn.
»Warum haben Sie Ihre Zwischentür offen gelassen?«, fragte er.
»Mir war danach.«
Ja klar, er wusste, dass mehr dahintersteckte. »Warum?«
»Das geht Sie gar nichts an!«, erwiderte sie. Sie wollte ihm wieder in die Brust bohren, und er schnappte sich ihren Finger mit der Faust.
»Ich habe Ihnen eine Frage gestellt«, sagte er, drückte fest zu und schob sie nach hinten gegen die Wand.
»Na los«, sagte sie mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Brechen Sie ihn. Brechen Sie mir die Finger. Waterboarden Sie mich. Darin sind Sie doch gut, oder? Sie foltern Leute, bis sie Ihnen alles sagen, was Sie hören wollen.«
Warum hatte sie ihre Zwischentür offen gelassen? Es konnte nur einen Grund geben: Sie hatte es ihm leichtmachen wollen, in ihr Zimmer zu kommen. Aber wieso hatte ihm dann niemand aufgelauert, wieso war sie nicht bewaffnet? Was sollte das? Wieso wollte sie, dass er –
Oh, du Idiot.
Es passte alles. Es war alles offensichtlich. Es war beschämend simpel,
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