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Todescode

Todescode

Titel: Todescode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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zumindest mit keiner, die voll geladen und entsichert war. Das war einfach … lebensmüde.
    Natürlich war diese Pistole nicht geladen gewesen, obwohl Alex das nicht gewusst hatte. Während sein Bruder auf dem Boden lag und nach Luft japste, hatte Ben das Magazin herausgezogen und die Kammer geleert. Er wusste, Alex würde den Unterschied nicht merken. Und obwohl er den kleinen Scheißer mit seinen höhnischen Bemerkungen nur beschämen und demütigen wollte und sich ganz sicher war, dass er nicht den Mumm hätte, abzudrücken, war Vorsicht nun mal die Mutter der Porzellankiste.
    Er verzog das Gesicht vor Schmerzen. Er hatte in seiner Tasche QuikClot-Verbandspflaster, womit er sich selbst verarzten könnte, doch da das Krankenhaus so nah war, konnte er die Wunde auch professionell desinfizieren und nähen lassen – und das Verbandsmaterial für einen echten Notfall sparen.
    Ja, er hatte Alex’ Mumm, besser gesagt, seinen nicht vorhandenen Mumm, richtig eingeschätzt. Aber es tat ihm nicht leid, dass er die Karten zu seinen Gunsten gemischt hatte, für alle Fälle. Wie hieß es noch mal? Die dümmsten letzten Worte, die je gesprochen wurden, sind: »Du traust dich ja doch nicht.« Sinnlos, so ein Risiko einzugehen.
    Dass er überhaupt Hand an Alex gelegt hatte, war das eigentliche Risiko gewesen, das er eingegangen war. Denn wenn Ben so wütend war, konnte er sich nur noch mit Mühe bremsen, wenn er einmal ausrastete. Er konnte sich schon jetzt nicht mehr an alles erinnern. Alex hatte ihn bezichtigt, Katie umgebracht zu haben, hatte endlich ausgesprochen, was er all die Jahre gedacht hatte, wie Ben immer gewusst hatte. Ben hatte die Worte gehört und dann … was hatte er dann getan? Es war alles ein einziger roter Nebel. Dann hatte er ihn gewürgt, oder? Ja, er hatte ihn gewürgt.
    Gewürgt? Sag es doch. Du warst im Begriff, ihn zu töten. Du hast es gewusst. Du hast es gespürt. Du wolltest es.
    Doch er hatte sich gebremst. Er wusste nicht wie, aber er hatte von ihm abgelassen. Das musste doch auch was zählen.
    Er ging in die Notaufnahme des Krankenhauses und füllte ein Formular aus, unter einem falschen Namen und mit einem falschen Ausweis. Er hatte Glück – er kam sofort dran. Sie nahmen ihn gleich mit und machten sich an seiner Stirn zu schaffen.
    Unglaublich. Er hatte in zwei Tagen zwei Schießereien durchgestanden – plus die Sache in Istanbul ein paar Tage davor, wieso sollte er die nicht mitzählen? –, und das alles, ohne einen Kratzer abzubekommen. Und ausgerechnet sein Bruder, der eine Glock 26 anscheinend nicht von einem dämlichen Stein unterscheiden konnte, verpasste ihm eine Verletzung.
    Bei dem Gedanken musste er fast lachen. So sauer er auch war, eines musste er Alex lassen: Er hatte Courage bewiesen. Immerhin hatte er sich gewehrt. Und er hatte versucht, die Pistole einzusetzen, obwohl es Ben natürlich sofort gemerkt hatte, als er danach griff, und ihn mühelos daran hinderte.
    Fünf Stiche und zwei Ibuprofen später verließ er das Krankenhaus und holte seinen Wagen ab, wo er ihn in der Nacht zuvor geparkt hatte. Er überlegte, was er machen sollte. Er hatte keine neuen Einsätze, und nach der Sache in Istanbul rechnete er damit, frühestens in zwei Wochen neue Anweisungen zu bekommen. Vielleicht fuhr er nach Fort Bragg und ging auf den Schießstand, um in Form zu bleiben. Oder er flog für ein paar Tage nach Cabo. Ja, Cabo, etwas tauchen, am Strand liegen, relaxen. Das wäre gut.
    Vorher würde er nur noch mal eben einen kleinen Abstecher machen. Um zu sehen, ob er den Volvo fand. Nicht für Alex – der konnte ihn mal kreuzweise. Bloß um seine Neugierde zu befriedigen, mehr nicht.
    Vierzig Minuten später gondelte er durch die stillen morgendlichen Straßen von Ladera. Er brauchte lange, bis er den Wagen des Typen fand – einen silbernen S80. Der Volvo war geschickt geparkt, auf dem Dos Loma Vista Drive, der von Alex’ Haus nur eine halbe Meile Luftlinie entfernt war, mit dem Auto allerdings mehrere Meilen. Der Typ hatte garantiert eine topographische Karte studiert und erkannt, dass es mit der Nachtsichtbrille durch die Gärten nur ein Katzensprung zu Alex’ Haus war, während er den Wagen in einer Straße stehen lassen konnte, wo selbst jemand, der danach suchte, nicht auf Anhieb fündig würde.
    Als Ben den Knopf am Schlüsselsender drückte und die Lampen des Volvo aufblinken sah, parkte er und stieg aus. Der Dos Loma Vista Drive war eine dicht von Bäumen bestandene Sackgasse.

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