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Todescode

Todescode

Titel: Todescode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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nicht gesagt. So etwas passierte ihm sonst nie – man konnte nie wissen, wie etwas Harmloses beim Weitererzählen verfälscht und ausgeschmückt wurde. Es behagte ihm gar nicht, dass sie so eine Wirkung auf ihn hatte.
    Aber Sarah lächelte bloß verständnisvoll. »Und was wird jetzt aus dem Patent?«
    Alex fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und seufzte. »Das will ich ja herausfinden.«
    Sie warf einen Blick auf seinen Laptop. »Sind Sie gerade dabei?«
    »Ich versuche es, ja. Ich mache einen Testflug mit Obsidian. Probiere aus, wie es ohne Hilzoy am Steuerknüppel läuft.«
    Sie nickte. »Na, wenn Sie einen Copiloten brauchen, sagen Sie Bescheid.«
    Er sah sie an, versuchte, ihre Miene zu lesen. Was hatte das Angebot genau zu bedeuten? War es rein beruflich gemeint oder …?
    Er spürte, wie er rot wurde. Menschenskind.
    »Danke«, sagte er. »Das mach ich.«
    Sie lächelte und stand auf. »Entschuldigen Sie den Überfall. Ich war bloß neugierig, wegen Sie wissen schon.«
    Alex nickte und zwang sich, sitzen zu bleiben. Er würde sie nicht zur Tür begleiten, auf keinen Fall.
    Sie warf ihm noch einmal dieses strahlende Lächeln zu, ging hinaus und schloss die Tür hinter sich. Alex atmete heftig aus. Nach einer Minute widmete er sich wieder seinem Laptop und experimentierte weiter mit Obsidian. Doch er konnte sich nicht mehr richtig konzentrieren. Die ganze Situation … sie weckte Erinnerungen in ihm.
    Alex ging in die neunte Klasse auf der Melon Atheron High School, als Katie starb. Er hatte geschlafen und war halb aufgewacht, als das Telefon klingelte. Er fragte sich vage, wieso denn jemand mitten in der Nacht anrief, sagte sich aber dann, dass seine Eltern schon rangehen würden, und war schon fast wieder eingeschlafen. Doch einen Augenblick später war er hellwach, aufgeschreckt durch das wohl entsetzlichste Geräusch, das er je gehört hatte. Es war kein lautes Geräusch, aber es ließ ihn im Bett hochfahren, brachte seine Hände zum Zittern und jagte alle Wärme aus seinem Körper.
    Das Geräusch kam von seiner Mutter. Sieben Silben, alle in einer bebenden, unnatürlich hohen Stimme, mit einem Tonfall, in dem das nackte Entsetzen lag, das die Worte selbst in den Hintergrund drängte.
    »O nein. O bitte Gott, nein.«
    Alex saß wie erstarrt da, die Bettdecke an sich gedrückt, ängstlicher, als er es je im Leben gewesen war. Was konnte seine Mutter veranlassen, solche Laute von sich zu geben? Wer war da am Telefon?
    Einen Moment später stand sein Vater im Türrahmen. Er schaltete das Licht an und sagte in einer leisen, gebieterischen Stimme, die Alex bei ihm gar nicht kannte: »Alex, zieh dich an. Wir müssen ins Krankenhaus.«
    Alex schüttelte den Kopf, verstand nicht. Ins Krankenhaus? Wer war denn krank?
    »Dad –«
    »Sofort!«, sagte sein Vater.
    Sie stiegen hastig in den Wagen seines Vaters, seine Mutter auf dem Beifahrersitz, Alex verwirrt und ängstlich im Fond, und setzten mit quietschenden Reifen rückwärts aus der Einfahrt. Kaum waren sie auf der Straße, riss sein Dad das Lenkrad herum und trat so heftig in die Bremse, dass Alex nach vorn geworfen wurde. Er war noch gar nicht angeschnallt. Dann gab sein Vater Vollgas, und er flog wieder nach hinten. Es gelang ihm, mit zitternden Händen den Sicherheitsgurt genau in dem Moment einzuklinken, als sein Dad am Ende der Straße nach rechts um die Kurve schleuderte, wodurch Alex fast gegen die Tür geknallt wäre.
    Sein Vater fuhr wie ein Verrückter weiter, und seine Mutter, die sonst kein Blatt vor den Mund nahm, wenn sie am Fahrstil seines Dads was auszusetzen hatte, sagte kein Wort. Alex musste auf einmal dringend aufs Klo. Vor lauter Angst und weil sie so überstürzt aus dem Haus gerannt waren, hatte er das vorher nicht gemerkt.
    »Es geht um Katie«, sagte sein Vater, als wäre ihm erst jetzt eingefallen, dass Alex noch gar nicht wusste, was eigentlich los war. Er bremste kurz an einer roten Ampel ab und raste dann über die Kreuzung, nachdem er sich mit einem Blick nach rechts und links vergewissert hatte, dass alles frei war. »Sie hatte einen Unfall.«
    Alex spürte, wie ihm die Tränen kamen, und er drängte sie zurück. Er hörte die Stimme seiner Mutter noch in den Ohren hallen und wusste mit einem Mal, dass ihn der Klang sein Leben lang verfolgen würde.
    O nein. O bitte Gott, nein.
    »Ich versteh das nicht«, sagte seine Mutter, und Alex konnte hören, dass sie weinte. »Wo ist Ben? Ich hab gedacht, du hättest ihm gesagt

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