Todescode
Ben, danke, dass du dir die beiden Typen vorgeknöpft hast, die mich sonst inzwischen umgelegt hätten. Supernett von dir.
»Wohin fahren wir?«, fragte Sarah.
»San Francisco«, sagte Ben. »Wir gehen für eine Weile in ein Hotel. Ihr zwei kümmert euch um die Software. Und ich gehe dem nach, was ich soeben erfahren habe.«
»Was haben Sie denn soeben erfahren?«, fragte Sarah.
Ben zögerte. Er traute ihr noch immer nicht. Die beiden russischen Typen kamen ihm nicht vor wie von irgendeinem Geheimdienst. Geheimdienstleute hätten keine Brieftasche bei sich gehabt, sie hätten steril operiert. Und sie wären raffinierter zu Werke gegangen, als sie in der Nähe von Alex’ Auto Posten bezogen hatten. Sie hätten Ben nicht so nahe rankommen lassen.
Er tippte auf die russische Mafia. Was entweder bedeutete, dass die russische Mafia hinter Alex’ Software her war, oder, und das hielt er für wahrscheinlicher, dass jemand anders die Mafia engagiert hatte. Das wäre nicht das erste Mal. In den Sechzigern hatte die CIA die Mafia auf Castro angesetzt. Durchaus vorstellbar, dass der iranische Geheimdienst russische Gangster mit einem Job betraute. Die beiden Länder arbeiteten oft genug im Geheimen zusammen. Er hatte es eben erst mit eigenen Augen in Istanbul gesehen.
Und jetzt hatte er noch ein anderes Problem, das er früher hätte bedenken sollen. Die Frau, die er nicht mal kannte, die er gezwungenermaßen mitgenommen hatte, war eine wichtige Zeugin in einem Doppelmord geworden. Zugegeben, sie hatte nicht direkt gesehen, dass er geschossen hatte, und er hatte Alex’ hysterische Unterstellungen nicht bestätigt, aber sie verfügte über Informationen, die ganz schön schädlich für ihn sein könnten.
Er musste ihnen irgendwas erzählen. Sonst würden sie im Dunkeln tappen, wenn sie versuchten, der Software auf den Grund zu gehen. Und Sarah sollte auch begreifen, dass die Polizei sie vor der Bedrohung, der sie ausgesetzt war, nicht schützen konnte. Er musste verhindern, dass sie der sicherlich wiederholt auftretenden Versuchung erlag, auf gutes, ziviles Verhalten zurückzugreifen – und ihn damit ans Messer zu liefern.
»Ich hab die beiden reden gehört«, sagte Ben. »Sie waren Russen. Fällt euch irgendein Grund ein, warum die Russen scharf auf Obsidian sein könnten?«
Sarah sagte: »Russen? Russen stecken in der Sache mit drin?«
Ben nickte. »Hört sich an, als hättet ihr zwei einem Bösewicht auf den Schlips getreten.«
Alex sagte: »Wie meinst du das?«
»Ich sehe zwei Möglichkeiten. Erstens, die beiden waren vom FSB . Das ist der neue KGB . Was bedeuten würde, die Leute, die euch tot sehen wollen, sitzen in der russischen Regierung.«
Sarah warf einen Blick nach hinten zu ihm. »Und die zweite Möglichkeit?«
»Die beiden waren von der russischen Mafia.«
»Na toll«, sagte Alex kopfschüttelnd, ließ aber diesmal wenigstens die Augen auf die Straße gerichtet. »Die Leute, die uns tot sehen wollen, sind entweder der ehemalige KGB oder die russische Mafia.«
»Ich bezweifele, dass ihr mit der russischen Mafia direkt ein Problem habt«, sagte Ben. »Ich tippe, irgendwer hat sie beauftragt. Könnte der FSB sein. Könnte jemand anders sein. Also noch mal: Fällt euch irgendein Grund ein, warum die russische Regierung Interesse an Obsidian haben könnte?«
Sie schwiegen alle einen Moment lang. Alex sagte: »Ich wüsste nicht, was speziell Russland damit wollte.«
»Jedenfalls, behaltet die Möglichkeit im Hinterkopf. Ich frag bei meinen Leuten nach, vielleicht finde ich ja mehr darüber raus, mit wem die Typen zusammengearbeitet haben. Oder für wen.«
19 Ritual
Sie fuhren schweigend durch Menlo Park, auf die Sand Hill Road und dann auf die I-280. Ben sah die grüne Hügellandschaft vorbeiziehen, der Himmel darüber stahlblau und mit leuchtend weißen Wolken betupft. Es war surreal.
Er hatte selten so wie jetzt mit den Folgen eines Jobs zu tun. Normalerweise verschwand er einfach, kappte jede Verbindung zu dem, was er hinter sich ließ. Doch jetzt hatte er alles auf einmal. Verrückterweise machte es ihm sogar irgendwie Spaß. Vielleicht lag es an den berauschenden Nachwirkungen dessen, was soeben passiert war, aber die ganze Situation war eine Riesenherausforderung, die er bislang ganz ordentlich gemeistert hatte.
Sie fuhren am Crystal Springs Reservoir vorbei; der Stausee erstreckte sich als glitzerndes blaues Band am Freeway entlang. Ben hatte lieber die I-280 genommen als die I-101, weil
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