Todescode
Bruchteil einer Sekunde verarbeitete sein Verstand die verfügbaren Informationen. Von der Sprache her war der Mann Amerikaner. Und er wusste, dass Ben sich mit Schusswaffen auskannte, sonst hätte er nicht darauf gesetzt, dass die Erwähnung des Taurus die gewünschte Wirkung erzielte. Und er wollte Ben nicht töten – noch nicht –, sonst wäre er nämlich schon tot.
Also wollten sie irgendwas von ihm. Was, würde er noch früh genug erfahren. Bis dahin hatte er ein paar Vorteile. Sehr kleine, zugegeben, aber immer noch besser als gar nichts. Er schloss die Augen.
»Waffe fallen lassen und runter mit der Brille«, sagte die Stimme noch einmal.
Ben wartete, rechnete sich aus, dass er noch eine letzte Warnung bekommen würde, und wollte die zusätzlichen Sekunden zum Nachdenken nutzen, seinen Augen mehr Zeit geben, sich auf die Dunkelheit einzustellen, die ihn erwartete, wenn er die Nachtsichtbrille abnahm.
Er begriff, worin sein Fehler bestanden hatte. Er war davon ausgegangen, dass sie Alex auflauern würden, einem Zivilisten. Stattdessen hatten sie sich auf einen Profi eingestellt, ihn, und ihre Taktiken und Positionen entsprechend angepasst. Er war wütend auf sich, weil er das nicht vorhergesehen hatte. Nach dem Verlust von zwei Leuten am Morgen auf dem Parkplatz vom Four Seasons hatten sie natürlich gewusst, dass sie es mit einem ernst zu nehmenden Gegner zu tun hatten. Sie hatten ihn richtig eingeschätzt. Und ihn ausmanövriert.
Dann ging ihm ein Licht auf. Sarah. Zum Teufel mit ihr. Und zum Teufel mit ihm selbst, weil er so unvorsichtig gewesen war. Sie war ganz schön clever, so clever, dass sie dahintergekommen war, was er für heute Nacht plante. Sie hatte jemanden angerufen, nach diesem kleinen Moment mit ihm im Korridor. Und das ahnungslose Abtasten in der Bar … sie hatte sich dumm gestellt.
»Letzte Chance. Weg mit der Waffe und der Brille, sonst leg ich dich um.«
Ohne sich umzudrehen, hob Ben die Glock mit einer ganz langsamen Bewegung vom Körper weg, als wollte er den Typen von seiner Fügsamkeit überzeugen, wo er doch in Wahrheit seinen geschlossenen Augen weitere kostbare Sekunden zum Anpassen verschaffen wollte. Die Glock fiel mit einem leisen, dumpfen Schlag ins Gras.
»Jetzt die Brille. Schön langsam.«
Das leere Holster fühlte sich an wie ein Loch in seinem Bauch. Bei dem Gedanken, dass er seine Zweitpistole bei Alex gelassen hatte, wurde ihm fast schlecht. Ganz langsam löste er die Schlaufen an der Brille und streifte sie sich vom Kopf. Er öffnete die Augen. Er hatte ein wenig Nachtsicht zurückgewonnen. Aber nicht genug. Noch nicht. Er streckte die Hand mit der Brille seitlich von sich und ließ sie fallen.
»Wo ist der Typ, der hier wohnt?«, fragte die Stimme.
Gott sei Dank hatte er Alex in das Extrazimmer geschickt. Sie hatten bestimmt in dem nachgesehen, wo Sarah dachte, dass er schlafen würde. Das war ein Pluspunkt, aber nicht von Dauer. In ein paar Stunden würde Alex aufwachen und wahrscheinlich an Sarahs Tür klopfen. Wenn Ben ihn nicht rechtzeitig warnte, war er geliefert.
Er antwortete nicht. Der Typ hatte ihm bei der Waffe und der Brille drei Versuche gegeben. Jetzt, wo Ben unbewaffnet und quasi blind war, durfte er davon ausgehen, dass der Kerl noch mal mindestens die gleiche Geduld an den Tag legte.
»Wo ist er?«, fragte die Stimme.
»Ich weiß es nicht«, sagte Ben.
»Wir wollen ihm nichts tun. Er hat was, das wir brauchen. Wenn er damit rausrückt, lassen wir ihn in Ruhe. Ganz einfach.«
Wäre er nicht verdammt nah dran gewesen, von Schrotkugeln ausgeweidet zu werden, hätte Ben vielleicht gelacht. Er wusste, was der Typ versuchte: Er wollte es Ben leichter machen, Alex zu verraten.
Hilfst du uns nicht, stirbst du
, lautete das unausgesprochene Kalkül.
Hilfst du uns, passiert deinem Bruder nichts.
Ganz einfach, oder?
»Ich weiß es wirklich nicht«, sagte Ben. Er bewegte die Augen nach links, dann nach rechts. Im schwachen Mondlicht sah er allmählich wieder schärfer. Und er kannte den Garten wie seine Westentasche.
»Ich sag dir, wie das hier abläuft«, fuhr die Stimme fort. »Du sagst mir, wo er ist. Ich mache einen Telefonanruf. Ein paar Leute gehen zu ihm und reden mit ihm. Wir zwei warten hier, in seinem gemütlich warmen Haus. Wenn die Leute zurückrufen und mir sagen, dass sie bekommen haben, was sie brauchen, gehen wir alle unserer Wege und jeder lebt glücklich und zufrieden bis an sein seliges Ende. Klingt das gut?«
Diesmal lachte
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