Todesdämmerung
einen Namen zu stoßen. Die Maschine wird uns dann die Namen aller Leute ausspucken, die schon einmal Ärger mit uns gehabt haben und die in we nigstens sieben von zehn Vergleichspunkten der Beschreibung entsprechen. Dann werden wir uns die Fotos ansehen, die wir in den Akten haben. Vielleicht liefert uns der Computer sogar einige Namen und findet Fotos von mehr als einer alten Frau. Dann werden wir die Bilder hierher zu Ihnen bringen, damit Sie sie sich ansehen können. Sobald Sie erklären, daß wir sie gefunden haben... Nun, dann können wir zu ihr fahren und uns mit ihr unterhalten und herausfinden, was das alles zu bedeuten hat. Sie sehen, es ist wirklich nicht hoffnungslos, Mrs. Scavello.«
»Und was ist, wenn sie mit Ihnen noch keinen Ärger gehabt hat und Sie sie nicht in Ihrer Kartei haben?«
Wilford war bereits zur Tür unterwegs und meinte: »Wir haben ein Datenvergleichssystem mit sämtlichen Polizeistationen in Orange, San Diego, Riverside und allen Bezirken von Los Angeles. Wir können über unseren Computer direkt den Zugang zu deren Computern herstellen. Datenverbund nennt man das. Wenn sie bei denen irgendwo re gistriert ist, finden wir sie ebenso schnell, als wenn wir sie selbst in der Datei hätten.«
»Ja, sicher. Aber was ist, wenn sie nie irgendwo Ärger gehabt hat?« fragte Christine besorgt.
Wilford öffnete die Haustür und meinte: »Oh, machen Sie sich keine Sorgen. Wir stoßen bestimmt auf etwas. So ist es fast immer.«
»Das reicht mir nicht«, sagte sie, und das hätte sie selbst dann gesagt, wenn sie ihm geglaubt hätte, was aber nicht der Fall war. Sie würden gar nichts finden.
»Es tut mir leid, Mrs. Scavello, aber das ist alles, was wir tun können.«
»Scheiße.«
Er blickte finster. »Ich kann Ihre Enttäuschung verstehen und möchte Ihnen versichern, daß wir diesen Bericht nicht einfach ablegen und dann vergessen werden. Aber Wunder wirken können wir auch nicht.«
»Scheiße.«
Sein Blick wurde noch finsterer. Seine buschigen Augenbrauen schoben sich zusammen, daß sie wie ein einziger breiter Strich wirkten. »Lady, es geht mich ja nichts an, aber ich finde, Sie sollten vor Ihrem kleinen Jungen so etwas nicht sagen.«
Sie starrte ihn verblüfft an. Und dann schlug die Verblüffung in Ärger um. »So? Und was sind Sie — ein >wiedergeborener Christ«
»Ja, das bin ich tatsächlich. Und ich glaube, es ist ungemein wichtig für uns, daß wir den jungen Menschen ein gutes Beispiel liefern, damit sie im Angesicht Gottes heranwachsen können. Wir müssen -«
»Das ist nicht zu glauben«, sagte Christine. »Sie sagen, ich würde ein schlechtes Beispiel geben, weil ich ein harmloses Wort gebrauche —«
»Worte sind nicht harmlos. Der Teufel treibt sein Spiel mit der Sprache, und Worte sind —«
»Und was ist mit dem Beispiel, das Sie meinem Sohn geben? Mit allem, was Sie tun, lehren Sie ihn, daß die Polizei in Wirklichkeit niemanden beschützen kann, daß sie in Wirklichkeit niemandem helfen kann, daß Sie nicht sehr viel mehr tun können, als hinterher auftauchen und die Scherben einsammeln.«
»Ich wünschte, Sie würden das nicht so sehen«, meinte Wilford.
»Wie, zum Teufel, soll ich es denn sonst sehen?«
Er seufzte. »Wir rufen Sie an und geben Ihnen die FallNummer durch.« Dann wandte er sich vor der Tür ab, wandte ihr und Joey den Rücken und ging steif den Plankenweg hinunter.
Sie blieb einen Augenblick lang stehen und eilte dann hin ter ihm her, holte ihn ein, legte ihm die Hand auf die Schulter. »Bitte.«
Er blieb stehen, drehte sich zu ihr um. Sein Gesicht war hart, und seine Augen blickten kalt.
»Es tut mir leid«, sagte sie. »Wirklich. Ich bin völlig durcheinander. Ich weiß nicht, was ich denken soll. Ganz plötzlich weiß ich nicht mehr, wohin ich mich wenden soll.«
»Ich verstehe«, sagte er, so wie er das schon einige Male gesagt hatte, aber in seinem Granitgesicht war kein Verständnis zu erkennen.
Sie sah sich um, um sich zu vergewissern, daß Joey noch unter der Tür stand und zu weit entfernt war, um sie hören zu können, und sagte dann: »Es tut mir leid, daß ich Sie so angefahren habe. Und wahrscheinlich haben Sie recht, daß ich mich vor Joey etwas mehr zusammennehmen und so etwas nicht sagen sollte. Die meiste Zeit passe ich auch auf, glauben Sie mir, aber heute kann ich nicht klar denken. Diese verrückte Frau hat mir gesagt, mein kleiner Junge müßte sterben. Das hat sie gesagt. Er muß sterben, hat sie gesagt. Und jetzt
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