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Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Felsen, die ihm vor dem Schützen Deckung boten. Stiefel auf schneefreiem Stein. Ein paar schnelle Schritte. Dann vorsichtiges Schweigen. Dann wieder ein paar Schritte.
    Er zählte darauf, daß dieser Mann ein Amateur war, so wie der Bursche mit der Maschinenpistole. Ein Profi würde schießen, wenn er um die Felsen herumkam. Aber ein Amateur würde den Schreien glauben wollen, würde sich selbst zu dem guten Schuß gratulieren und damit verletzbar sein.
    Schritte. Näher. Jetzt sehr nahe.
    Charlie öffnete die Augen weit und blickte starr zum grauen Himmel auf. Die Felsformation hielt den fallenden Schnee von ihm ab, aber trotzdem wehten Schneeflocken auf sein Gesicht, auf seine Augenlider, und er brauchte seine ganze Willenskraft, um nicht zu blinzeln.
    Er ließ den Mund offenstehen, hielt aber den Atem an, damit er nicht dampfend über ihm stand und ihn verriet.
    Eine Sekunde verstrich. Fünf Sekunden. Zehn.
    Noch eine halbe Minute, und er würde Atem holen müssen.
    Seine Augen begannen zu tränen.
    Plötzlich schien ihm der Plan nicht mehr gut. Er würde hier sterben. Er mußte sich etwas Besseres, Klügeres einfallen lassen.
    Dann tauchte der Zwielichter auf, schob sich um die Granitplatten.
    Charlie starrte zum Himmel, spielte den Toten. Er konnte nicht erkennen, wie der Fremde aussah; er nahm nur seine Umrisse wahr. Aber er war überzeugt, daß seine schauspie lerische Leistung als Leiche überzeugend war, und das mußte sie wohl auch sein, da er reichlich von seinem eigenen Blut als Kulisse geliefert hatte.
    Der Schütze trat näher, stand jetzt unmittelbar über ihm, blickte grinsend auf ihn herab.
    Charlie mußte sich alle Mühe geben, den Blick nicht auf ihn zu richten, weiterhin starr durch ihn hindurchzusehen. Es war nicht leicht. Das Auge wurde ganz natürlich von Be wegung angezogen.
    Der Fremde hatte immer noch einen Karabiner, war auf den Füßen, war besser bewaffnet und beweglicher als Charlie. Wenn er erkannte, daß Charlie noch lebte, würde er das, was er angefangen hatte, im Bruchteil einer Sekunde zu Ende bringen.
    Ein Schlag.
    Noch einer.
    Wider jede Vernunft dachte Charlie: Er wird mein Herz hören!
    Und jener unvernünftige Schrecken wich einer realistischeren Furcht — der Möglichkeit, daß der Zwielichter Charlies Puls an seinem Hals oder seiner Schläfe schlagen sah. Charlie geriet bei dem Gedanken beinahe in Panik, hätte sich fast bewegt. Aber dann wurde ihm klar, daß seine Jacke und die daran befestigte Kapuze sowohl seinen Hals als auch seine Schläfen verdeckten; das Pochen seiner Adern würde ihn also nicht verraten.
    Dann trat der Zwielichter an ihm vorbei an den Rand des Plateaus und rief seinen Freunden unten am Hang zu: »Ich hab' ihn! Ich hab' das Schwein!«
    In dem Augenblick, in dem die Aufmerksamkeit des Mannes von ihm abgewandt war, rollte Charlie sich ein wenig nach links, machte damit seine rechte Hand frei und hob den Revolver.
    Der Zwielichter rang nach Luft, fing an, sich umzudrehen.
    Charlie gab zwei Schüsse auf ihn ab. Einer traf ihn an der Seite. Der andere am Kopf.
    Der Mann stürzte in den Abgrund, rollte durch ein paar Büsche, rollte zwischen den Bäumen durch und kam schließlich am Stamm einer Fichte zum Stillstand. Tot, ehe er Gelegenheit zum Schreien bekommen hatte.
    Charlie wälzte sich auf den Bauch und zog sich an den Abgrund und blickte nach unten. Ein paar von Spiveys Leuten waren aus ihren Verstecken hervorgekommen, als sie den Triumphschrei gehört hatten. Offenbar hatten noch nicht alle begriffen, daß ihr Feind noch am Leben war. Vermutlich nahmen sie an, daß die beiden Schüsse von ihrem eigenen Mann abgefeuert worden waren, um sicherzugehen, daß Charlie tot war; vermutlich dachten sie, daß die Leiche, die den Abhang hinuntergerollt war, die Charlies war. Sie suchten keine Deckung, bis er »Ihr Schweine!« schrie und zwei Schüsse aus seinem Revolver abgab. Erst jetzt huschten sie wie ein Rudel Ratten, das eine Katze wit tert, wieder in Deckung.
    Er gab die beiden letzten Schüsse ab, die in seinem Revolver waren, rechnete nicht damit, jemanden zu treffen, zielte nicht einmal, wollte sie nur verängstigen und zwingen, eine Weile in Deckung zu bleiben.
    »Ich hab sie beide erwischt!« schrie er. »Sie sind beide tot. Wie kommt es denn, daß sie beide tot sind, wenn Gott auf eurer Seite steht?«
    Niemand antwortete ihm.
    Das laute Rufen strengte ihn an. Er wartete einen Augenblick, atmete ein paarmal tief, wollte nicht, daß sie Schwäche in

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