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Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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seiner Stimme hörten. Dann rief er wieder: »Warum steht ihr nicht auf und laßt Gott die Kugeln abhalten, wenn ich auf euch schieße?«
    Keine Antwort.
    »Das würde doch etwas beweisen, oder nicht?«
    Keine Antwort.
    Er atmete ein paarmal lange und tief durch.
    Dann versuchte er die linke Hand zu bewegen, und die Finger regten sich tatsächlich, aber sie waren immer noch taub und steif.
    Er überlegte, ob er genügend von ihnen getötet hatte, um sie zur Umkehr zu bewegen, und stellte dann eine kleine Rechnung an. Zwei hatte er auf der Kammhöhe getötet, einen auf dem Weg, drei unten auf der Wiese, als sie sich um den Jeep und die Schneemobile gedrängt hatten. Sechs Tote. Sechs von zehn. Wie viele waren dann noch unter ihm im Wald? Drei? Er dachte, er hätte drei gesehen: eine weitere Frau, Kyle und den Mann, der vor Kyle gegangen war. Aber würde nicht wenigstens einer von ihnen mit Mutter Grace zurückgeblieben sein? Sie war doch sicherlich nicht alleine in der Hütte geblieben. Und hierher hätte sie es nicht geschafft, dazu war der Weg zu anstrengend. Aber stimmte das? Oder war sie auch hier zwischen den Bäumen, nur zwanzig oder dreißig Meter entfernt, wie ein böser alter Troll, irgendwo im Schatten geduckt lauernd?
    »Ich werde jetzt hier warten«, rief er.
    Er fischte sich ein halbes Dutzend Patronen aus der Tasche und lud den Revolver nach, dadurch behindert, daß er nur eine gute Hand hatte.
    »Über kurz oder lang müßt ihr euch bewegen«, rief Charlie zu ihnen hinunter. »Ihr müßt die Muskeln strecken, sonst bekommt ihr Krämpfe.« Seine Stimme hallte in der schneebedeckten Wüste unheimlich. »Ihr werdet Krämpfe bekommen, und dann fangt ihr langsam an zu erfrieren.«
    Der narkotische Schock der Schußverletzung begann nachzulassen. Seine Nerven begannen zu reagieren, und der erste dumpfe Schmerz kroch in seine Schulter.
    »Sagt mir, wenn ihr soweit seid«, rief er, »dann können wir ja euren Glauben auf die Probe stellen. Wir wollen sehen, ob ihr wirklich glaubt, daß Gott auf eurer Seite ist. Sagt es mir nur, wenn ihr soweit seid, laßt euch sehen, und laßt mich auf euch schießen, und dann sehen wir ja, ob Gott die Kugeln abhält .«
    Er wartete eine halbe Minute, bis er sicher war, daß sie nicht reagieren würden, dann steckte er den Revolver ins Halfter und zog sich zurück. Sie würden nicht wissen, daß er weggegangen war. Ahnen würden sie es vielleicht, aber sicher sein konnten sie nicht. Sie würden eine halbe Stunde in Deckung bleiben, vielleicht sogar länger, ehe sie schließlich beschlossen, den Aufstieg fortzusetzen. Wenigstens hoffte er, daß sie das tun würden. Er brauchte jede Minute, die er kriegen konnte.
    Während der stumpfe Schmerz in seiner Schulter immer bohrender wurde, kroch er auf dem Bauch über die schmale Kammfläche, bewegte sich wie eine verkrüppelte Krabbe und richtete sich erst auf, als er die Stelle erreicht hatte, wo das Terrain sich senkte und der Hirschpfad zwischen den Bäumen nach unten führte.
    Als er aufzustehen versuchte, stellte er fest, daß seine Beine erstaunlich schwach waren; sie sackten unter ihm ein, und er fiel zu Boden, stieß sich dabei den verletzten Arm an. Er spürte, wie eine große schwarze Welle auf ihn zubrauste, und hielt den Atem an, schloß die Augen und wartete, bis die Welle vorübergezogen war, weigerte sich, von ihr davongetragen zu werden. Dann war der Schmerz nicht mehr stumpf; er war jetzt stechend, brennend, ein nagender Schmerz, als wäre da im Inneren seiner Schulter ein lebendes Wesen, das sich den Weg nach draußen fraß. Es war schlimm genug, wenn er sich völlig ruhig hielt, aber die geringste Bewegung machte den Schmerz nur noch zehnmal schlimmer. Trotzdem konnte er nicht einfach hier liegenbleiben. Er mußte aufstehen, und wenn es noch so wehtat, mußte zurück zu Christine. Wenn er sterben mußte, dann wollte er, wenn seine Zeit kam, nicht alleine hier im Wald sein. Herrgott, das war unverzeihliches negatives Denken, oder nicht? Er durfte einfach nicht an das Sterben denken. Der Gedanke ist der Vater der Tat, oder? Der Schmerz war schlimm, aber das hieß doch nicht, daß die Wunde tödlich war. Schließlich hatte er das alles nicht durchgemacht, um so leicht aufzugeben. Es gab eine Chance, immer gab es eine Chance. Er war sein ganzes Leben lang Optimist gewesen. Er hatte zwei betrunkene Eltern überlebt, die ihn gequält hatten. Er hatte die Armut überlebt. Den Krieg. Und er würde das hier auch überleben,

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