Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
war, hervorgerufen von der Szene, die er gerade erlebt hatte und die ihn in diese halbparalytische Starre versetzt hatte.
    Als die Rufe der Fledermäuse langsam verhallten, wuchs in Christine neue Furcht, aber nicht wegen dem, was Grace Spivey widerfahren war. Und sie hatte auch keine Angst, die Fledermäuse würden zurückkommen und aufs neue töten. Tatsächlich wußte sie sogar irgendwie, daß sie das nicht tun würden, und genau jenes unmögliche Wissen war es, was ihr Angst machte. Sie wollte nicht darüber nachdenken, woher es kam, wollte nicht grübeln, woher sie es wußte. Sie wollte nicht darüber nachdenken, was es vielleicht bedeuten könnte. Joey lebte. Sonst war nichts von Belang. Der Schuß hatte die Fledermäuse angelockt, und glücklicherweise — oder dank Gottes Barmherzigkeit — hatten sie ihren Angriff auf Grace Spivey beschränkt. Joey lebte. Lebte. Sie spürte plötzlich Freudentränen in ihren Augen brennen. Jo ey lebte. Sie mußte sich auf jene wunderbare Wendung des Schicksals konzentrieren, denn dies war der Punkt, an dem ihre Zukunft begann, und sie war fest entschlossen, daß es eine strahlende Zukunft voll Liebe und Glück sein würde, ohne Traurigkeit, ohne Furcht und ganz besonders ohne Zweifel.
    Der Zweifel konnte an einem fressen, das Glück zerstören und Liebe in Bitterkeit verwandeln. Der Zweifel konnte sogar zwischen eine Mutter und ihren heißgeliebten Sohn tre ten, einen unüberbrückbaren Abgrund erzeugen, und daß das geschah, durfte sie einfach nicht zulassen.
    Dennoch stellte sich, ohne daß sie das wollte, eine Erinnerung bei ihr ein: Dienstag, Laguna Beach, die Arco-Tankstelle, wo sie auf Charlie gewartet hatten, nachdem sie nur knapp der Bombe entkommen waren, die Miriam Rankins Haus zerstört hatte. Sie und Joey und die zwei Leibwächter waren vor den Reifenstapeln gestanden, und die Welt draußen wurde von einem heftigen Gewitter geschüttelt, das so mächtig war, als kündete es das Ende der Welt an. Joey war an die offene Garagentür getreten, fasziniert von den Blit zen, den gewaltigsten, die Christine je gesehen hatte, ganz besonders in Südkalifornien, wo Blitze eine Seltenheit waren. Joey hatte das Gewitter ohne Furcht betrachtet, als wä re es nur ein Feuerwerk, als... als wüßte er, daß es ihn nicht verletzen konnte. Als wäre es ein Zeichen? Als wäre die unnatürliche Wildheit des Sturmes irgendwie eine Botschaft, die er verstand und aus der er Hoffnung schöpfte?
    Nein. Unsinn.
    Sie mußte solche dumme Gedanken aus ihrem Bewußtsein verdrängen. Das war die Art von Verrücktheit, die einen allein schon dadurch anstecken konnte, wenn man mit Leuten wie Grace Spivey in Verbindung geraten war. Mein Gott, die alte Frau war wie ein Seuchenträger gewesen, hatte Irrationalität verbreitet und jeden mit ihren paranoiden Fantasien angesteckt.
    Aber was war mit den Fledermäusen gewesen? Warum waren sie exakt im richtigen Augenblick gekommen? Warum hatten sie nur Grace Spivey angegriffen?
    Hör auf damit, sagte sie sich. Du bauschst da etwas auf. Die Fledermäuse sind gekommen, weil sie die ersten zwei Schüsse, die die alte Frau abgefeuert hat, aufgeschreckt haben. Die Schüsse waren so laut, daß sie ihnen Angst gemacht haben. Und dann, als sie hierherkamen, hat sie auf sie geschossen und sie wild gemacht. Ja. Natürlich. Das allein war es.
    Nur, wenn die ersten beiden Schüsse den Fledermäusen Angst gemacht haben, warum haben ihnen dann der dritte und der vierte Schuß nicht wieder Angst gemacht? Warum sind sie nicht weggeflogen? Warum haben sie sie angegriffen und sie so... passend... erledigt?
    Nein. Unsinn.
    Joey starrte immer noch den Boden an, immer noch anämisch blaß, aber er fing an, aus seinem halbkatatonischen Zustand zu erwachen. Er kaute nervös an einem Finger, ganz so wie ein kleiner Junge, der wußte, daß er etwas getan hatte, was seine Mutter ärgern würde. Nach ein paar Sekunden hob er den Kopf, und sein Blick begegnete dem Christines. Er versuchte unter seinen Tränen zu lächeln, aber sein Mund war immer noch weich und vom Schock und der Furcht schlaff. Er hatte nie süßer ausgesehen, bedürftiger nach der Liebe einer Mutter, und seine Schwäche, seine Verletzbarkeit griffen an ihr Herz.
    Den Blick von Schmerz umwölkt, von der Infektion und dem Blutverlust geschwächt, fragte sich Charlie, ob alles, was in der Höhle geschehen war, sich in Wirklichkeit nur in seiner fiebrigen Fantasie vollzogen hatte.
    Aber die Fledermäuse waren echt.

Weitere Kostenlose Bücher