Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
Freiheit, und Sherry bedauerte es nie, daß sie kinderlos geblieben waren. Bis zu diesem Augenblick. Während sie Telefongespräche entgegennahm und Briefe tippte und zwischendurch Ablage erledigte, beobachtete sie Joey Scavello und begann sich zu wünschen (nur ein klein wenig), daß er ihr gehörte.
    Er war solch ein braver Junge. Er saß in einem der Sessel vor ihrer Empfangstheke und wirkte darin winzig; seine Kinderbeine reichten nicht bis zum Boden. Er redete nur, wenn er angesprochen wurde, unterbrach aber niemanden und zog auch nicht die Aufmerksamkeit auf sich. Er blätterte in den Magazinen, sah sich die Bilder an und summte leise vor sich hin. Er war wirklich das netteste Kind, das sie je gesehen hatte.
    Sie hatte gerade einen Brief zu Ende getippt und den Jungen verstohlen dabei beobachtet, wie er, mit gerunzelter Stirn und sich mehrfach auf die Zunge beißend, die Knoten in den Schnürsenkeln seiner Turnschuhe überprüft und dann einen davon neu geschnürt hatte. Sie wollte ihn gera de fragen, ob er noch ein Karameldrops von ihr wollte, als das Telefon klingelte.
    »Klemet-Harrison«, meldete sich Sherry.
    Eine Frauenstimme sagte: »Ist Joey Scavello da? Er ist ein kleiner Junge, sechs Jahre alt. Sie können ihn nicht verfehlt haben, wenn er da ist; er ist ganz reizend.«
    Überrascht, daß jemand den Jungen sprechen wollte, zö gerte Sherry.
    »Ich bin seine Großmutter«, sagte die Frau. »Christine hat mir gesagt, daß sie den Jungen mit in Ihr Büro nehmen würde.«
    »Oh. Seine Großmutter. Ja, natürlich, sie sind im Augenblick hier. Mrs. Scavello ist gerade in Mr. Harrisons Büro. Ich kann Sie nicht verbinden, aber...«
    »Nun, in Wirklichkeit will ich mit Joey sprechen. Ist er auch in Mr. Harrisons Büro?«
    »Nein. Er wartet hier bei mir.«
    »Meinen Sie, ich könnte ihn einen Augenblick sprechen?« sagte die Frau. »Wenn es nicht zu viele Umstände macht.«
    »Oh, es macht gar keine Umstände.«
    »Ich brauche gar nicht lange.«
    »Aber sicher. Einen Augenblick«, sagte Sherry. Sie nahm den Hörer vom Ohr und sagte: »Joey? Für dich. Deine Großmutter.«
    »Oma?« sagte er und schien verblüfft.
    Er kam an ihren Schreibtisch. Sherry gab ihm das Telefon, und er sagte hallo, aber sonst nichts. Er wurde steif. Seine kleine Hand hielt den Hörer so fest umfaßt, daß seine Knöchel aussahen, als würden sie gleich durch die Haut treten. Er stand mit großen Augen da und lauschte. Alles Blut schoß aus seinem Gesicht. Seine Augen füllten sich mit Trä nen. Plötzlich stöhnte er auf, schauderte und knallte den Hörer auf den Apparat.
    Sherry zuckte überrascht zusammen. »Joey? Was ist denn?«
    Sein Mund wurde weich, zitterte.
    »Joey?«
    »Das war... s-s-sie.«
    »Deine Großmutter?«
    »Nein. Die H-h-hexe.«
    »Hexe?«
    »Sie hat gesagt... sie wird mir... das H-herz herausschneiden.«
    Charlie schickte Joey zu Christine in sein Büro, schloß die Tür hinter ihm und blieb im Vorzimmer, um Sherry zu befragen.
    Sie wirkte bedrückt. »Ich hätte sie nicht mit ihm sprechen lassen sollen. Mir war nicht klar...«
    »Es war nicht Ihre Schuld«, sagte Henry Rankin.
    »Natürlich war es das nicht«, fügte Charlie hinzu.
    »Was für eine Frau...«
    »Genau das versuchen wir herauszufinden«, sagte Charlie. »Ich möchte, daß Sie über den Anruf nachdenken und ein paar Fragen beantworten.«
    »Sie hat nicht viel gesagt.«
    »Sie behauptete, seine Großmutter zu sein?«
    »Ja.«
    »Hat sie sich als Mrs. Scavello gemeldet?«
    »Nun, das nicht. Sie hat ihren Namen nicht genannt. Aber sie wußte, daß er mit seiner Mutter hier ist, und ich hätte nie gedacht, ich meine, nun, sie klang wie eine Großmutter.«
    »Wie hat sie denn geklungen, ich meine, genau?« fragte Henry.
    »Herrgott, das weiß ich nicht. Eine sehr angenehme Stimme«, sagte Sherry.
    »Hatte sie einen Akzent?« fragte Charlie.
    »Nein.«
    »Es braucht kein sehr auffälliger Akzent gewesen zu sein«, sagte Henry. »Das würde uns sehr weiterhelfen. Jeder hat irgendeinen Akzent.«
    »Nun, mir ist jedenfalls nichts aufgefallen«, sagte Sherry.
    »Haben Sie irgend etwas im Hintergrund gehört?« fragte Charlie.
    »Was zum Beispiel?«
    »Irgendeinen Lärm, ein Geräusch?«
    »Nein.«
    »Wenn sie zum Beispiel von einem Telefonautomaten aus gesprochen hat, würde man Verkehrslärm gehört haben, Straßengeräusche.«
    »Davon war nichts zu hören.«
    »Irgendwelche anderen Geräusche, aus denen man schließen könnte, von wo aus sie

Weitere Kostenlose Bücher