Todesdämmerung
eine Richtung bewegte — auf den Zerfall, die Auflösung und das Chaos zu. Die Kirche des Zwielichts schien eine Religion zu sein, die die Entropie für den allerletzten Ausdruck des Göttlichen hielt, die aggressiv Wahnsinn, Unvernunft und Chaos verbreitete und dies genoß. Er hatte Angst.
31
Nach dem Frühstück rief Christine Val Gardner und ein paar andere Leute an und versicherte ihnen, daß sie und Jo ey wohlauf wären, sagte aber niemandem, wo sie sich befand. Dank der Kirche des Zwielichts vertraute sie jetzt keinem ihrer Freunde mehr, nicht einmal Val, und war traurig darüber, daß die Dinge sich so entwickelt hatten.
Als sie mit ihren Telefonaten fertig war, tauchten zwei neue Leibwächter auf, um Vince und George abzulösen. Einer von ihnen, Sandy Breckenstein, war hochgewachsen und schlank, etwa dreißig Jahre alt, mit vorstehendem Adamsapfel, während sein Partner Max Steck ein Bulle von einem Mann war, mit Boxerfäusten, einem mächtigen Brustkorb und einem Hals, der fast so dick wie sein Kopf war und einem Lächeln so süß und freundlich wie das eines Kindes.
Joey mochte Sandy und Max sofort und rannte bald von einem Ende des kleinen Hauses zum anderen, um beiden gleichzeitig Gesellschaft zu leisten, plapperte, fragte sie, wie es wäre, als Leibwächter zu arbeiten, und erzählte ihnen seine eigene, etwas verdrehte Version von George Swarthouts Geschichte über die Giraffe, die sprechen konnte, und die Prinzessin, die kein Pferd hatte.
Christine schaffte es nicht so schnell wie Joey, ihren neuen Beschützern Vertrauen zu schenken. Sie war freundlich, aber vorsichtig und wachsam.
Sie wünschte, sie hätte eine eigene Waffe. Ihre Pistole hatte sie nicht mehr. Die Polizei hatte sie letzte Nacht an sich genommen, um sich zu vergewissern, daß sie ordnungsgemäß registriert war. Sie konnte nicht gut ein Messer aus der Küchenschublade nehmen und damit herumlaufen; wenn Sandy oder Max wirklich Anhänger Grace Spiveys waren, würde das Messer vielleicht Gewalt eher auslösen als verhindern. Und wenn keiner von beiden ein Zwielichter war, dann würde sie sie mit so offen zur Schau getragenem Mißtrauen nur verletzen und abstoßen. Ihre einzigen Waffen waren daher Vorsicht und ihr Verstand, aber mit beiden würde sie gegen einen Irren mit einer 357er Magnum nicht viel ausrichten.
Als dann freilich kurz nach neun Uhr wirklich Gefahr auftauchte, ging diese weder von Sandy noch von Max aus. Tatsächlich war es sogar Sandy, der auf einem Stuhl am Wohnzimmerfenster Wache hielt, der bemerkte, daß etwas nicht stimmte, und sie darauf aufmerksam machte.
Als Christine aus der Küche hereinkam, um ihn zu f ragen, ob er eine Tasse Kaffee wolle, sah sie, daß er sichtlich gespannt die Straße draußen musterte. Er war aufgestanden, hatte sich ans Fenster gelehnt und hielt das Fernglas vor den Augen.
»Was ist denn?« fragte sie. »Wer ist denn dort draußen?« Er beobachtete die Straße noch eine Weile und ließ das Glas dann sinken. »Vielleicht niemand.«
»Aber Sie sehen doch irgend etwas.«
»Sagen Sie Max, er soll hinten aufpassen«, bat Sandy, und dabei tanzte sein Adamsapfel erregt auf und ab. »Sagen Sie ihm, daß jetzt derselbe Lieferwagen das dritte Mal am Haus vorbeigefahren ist.«
Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als ob jemand einen Schalter umgelegt hätte. »Ein weißer Lieferwagen?«
»Nein«, sagte er. »Ein dunkelblauer Dodge mit einer Strandszene auf der Seite. Wahrscheinlich hat es nichts zu bedeuten. Nur jemand, der mit der Umgebung nicht vertraut ist und eine Adresse sucht. Aber sagen Sie es trotzdem bitte Max.«
Sie eilte in die Küche, die im hinteren Teil des Hauses lag, und versuchte Max die Botschaft ruhig zu übermitteln, aber ihre Stimme zitterte, und sie konnte ihre Hände nicht kontrollieren, so daß diese nervöse, sinnlose, schmetterlingshafte Gesten vollführten.
Max überprüfte das Schloß an der Küchentür, obwohl er es selbst bereits überprüft hatte, als er seinen Dienst angetreten hatte. Er zog die Vorhänge an einem Fenster ganz, am anderen halb zu.
Chewbacca hatte in einer Ecke gelegen und gedöst. Jetzt hob er den Kopf und schnaubte, fühlte die Spannung, die in der Luft lag.
Joey saß am Tisch neben dem Gartenfenster und malte mit Buntstiften in seinem Malbuch. Christine holte ihn vom Fenster weg und zog ihn in eine Ecke neben den summenden Kühlschrank, aus der Schußlinie heraus.
Mit der emotionalen Anpassungsfähigkeit eines Sechsjährigen hatte er
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