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Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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die Gefahr weitgehend vergessen, die sie zwang, sich im Haus eines Fremden zu verstecken. Jetzt kam das alles plötzlich wieder zurück, und seine Augen weiteten sich. »Kommt die Hexe?«
    »Es ist wahrscheinlich nichts, worüber wir uns Sorgen machen müssen, Honey.«
    Sie beugte sich vor, zog ihm die Jeans hoch, stopfte ihm das Hemd hinein, das halb über den Gürtel herausgerutscht war. Seine Angst ließ ihr Herz schmerzen, und sie küßte ihn auf die Wange.
    »Wahrscheinlich bloß blinder Alarm«, sagte sie. »Aber Charlies Männer gehen kein Risiko ein, weißt du?«
    »Die sind super«, sagte er.
    »Ganz gewiß sind sie das«, sagte sie.
    Jetzt, wo es aussah, als müßten die zwei Männer tatsächlich für sie und Joey ihr Leben aufs Spiel setzen, empfand sie Schuldgefühle, daß sie sie beargwöhnt hatte.
    Max schob den kleinen Tisch vom Fenster weg, damit er ihm nicht im Weg war.
    Chewbacca gab einen fragenden Laut von sich und trottete im Kreis herum.
    Besorgt, der Hund könnte Max in irgendeiner Weise behindern, rief sie ihn zu sich, und Joey tat das gleiche. Das Tier konnte seinen neuen Namen noch nicht gelernt haben, reagierte aber auf die Stimme. Er kam zu Joey und setzte sich neben ihn.
    Max spähte durch einen Spalt zwischen zwei Jalousiestäben und sagte: »Dieser verdammte Nebel will sich heute morgen gar nicht verziehen.«
    Christine begriff, daß der Blumengarten mit seinen Azaleen, Oleanderbüschen, den sorgfältig gestutzten Miniaturorangenbäumen, dem Flieder und den anderen Büschen in dem Nebel und dem dichten Regen es jemandem leichtmachen würde, sich gefährlich nahe ans Haus heranzuschleichen, ehe man ihn entdecken konnte.
    Trotz des beruhigenden Zuspruchs seiner Mutter blickte Joey zur Decke, zu dem Geräusch des auf das Dach trommelnden Regens, der in diesem einstöckigen Haus laut zu hören war, und sagte: »Die Hexe kommt. Sie kommt.«

32
    Dr. Denton Boothe, zugleich Psychologe und Psychiater, war ein lebender Beweis dafür, daß die Erben Freuds und Jungs auch nicht allwissend waren. Eine Wand in Boothes Büro war mit Diplomen der besten Universitäten des Landes, Auszeichnungen von seinen Kollegen in einem halben Dutzend Berufsorganisationen und Ehrendoktortiteln von wissenschaftlichen Institutionen in vier Ländern bedeckt. Er hatte das am weitesten verbreitete und am höchsten gelobte Grundsatzwerk über allgemeine Psychologie der letzten dreißig Jahre geschrieben, und seine Position als einer der erfahrensten Fachleute in dem Spezialbereich der anomalen Psychologie war unbestritten. Und doch war Boothe trotz all seines Wissens und seiner Erfahrung nicht ohne eigene Probleme.
    Er war fett. Nicht nur angenehm beleibt. Fett. Erschütternd unansehnlich übergewichtig. Wenn Charlie Denton Boothe (>Boo< für seine Freunde) begegnete, nachdem er ihn ein paar Wochen nicht gesehen hatte, verblüffte ihn die Leibesfülle des Mannes immer wieder; er hatte jedesmal das Gefühl, ihn nicht so fett in Erinnerung gehabt zu haben. Boothe war einen Meter zweiundsiebzig groß, ebenso wie Charlie, wog aber einhundertachtzig Kilo. Sein Gesicht wirkte wie eine gute Imitation des Mondes, sein Hals war eine Säule. Seine Finger waren wie Würste. Wenn er saß, quoll er über jeden Stuhl.
    Charlie konnte nicht begreifen, weshalb Boothe, der selbst bei höchst schwierigen Patienten deren Neurosen ausfindig machen und behandeln konnte, nicht imstande war, mit seinem eigenen Eßzwang fertigzuwerden. Es war ihm ein beständiges Rätsel.
    Aber seine ungewöhnliche Figur und die ihr zugrundelie genden psychologischen Probleme änderten nichts an der Tatsache, daß er ein reizender Mann war, freundlich, amü sant und stets zu einem Lächeln bereit. Obwohl er fünfzehn Jahre älter war als Charlie und unendlich gebildet, waren sie sich schon beim ersten Zusammentreffen sympathisch gewesen und jetzt seit mehreren Jahren Freunde, gingen einoder zweimal im Monat gemeinsam essen, machten sich gegenseitig Weihnachtsgeschenke und bemühten sich sehr, in Verbindung zu bleiben, und dies in einem Maße, das sie beide manchmal überraschte.
    Boo begrüßte Charlie und Henry in seinem Büro, einer Ecksuite in einem gläsernen Wolkenkratzer in Costa Mesa, und bestand darauf, ihnen seine neueste Sparbüchse zu zeigen. Er sammelte alte, uhrwerkbetriebene Sparbüchsen, die aus dem Einwerfen jeder Münze ein kleines Abenteuer machten. In seinem Büro standen wenigstens zwei Dutzend solcher Objekte herum. Diese hier war eine

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