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Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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und hört, aber Er ist natürlich nur ein Trugbild ih res eigenen kranken Geistes. Psychotiker haben, wenn sie die Realität weit genug hinter sich zurückgelassen haben, häufig Visionen, manchmal solche religiöser Natur und manchmal nicht. Aber ich hätte nicht gedacht, daß Grace schon so weit ist.«
    Charlie sagte: »Die ist so weit aus der echten Welt ausgestiegen, daß es dort, wo sie jetzt ist, nicht einmal Taco-Bells Läden gibt.«
    Boo lachte, nicht so herzhaft, wie Charlie das gern gehabt hätte, aber er lachte immerhin, und das war besser als dieser finstere Blick, der Charlie nervös machte. Boo machte sich und anderen über seinen Beruf nichts vor und kannte keine Tabus; man konnte von ihm ebensoleicht den Ausdruck >verrückt< wie >geistesgestört< hören. Er sagte: »Aber wenn Grace wirklich völlig durchgedreht ist, dann gibt es an die ser Situation jetzt etwas, was verdammt schwer zu erklären ist.«
    Zu Henry gewandt, meinte Charlie: »Er liebt es, Dinge zu erklären. Ein geborener Pedant. Er erklärt dir, was Bier ist, während du es zu trinken versuchst. Bitte ihn bloß nicht, dir die Bedeutung des Lebens zu erklären, sonst sind wir noch hier, wenn unsere Altersversorgung einsetzt.«
    Boothe blieb ungewöhnlich ernst. »Im Augenblick ist es nicht die Bedeutung des Lebens, die mir Kopfzerbrechen bereitet. Du sagst, Grace sei durchgedreht, und es klingt wirklich so, als hättest du recht. Aber, siehst du, wenn sie wirklich all dieses Zeug von wegen Antichrist glaubt und bereit ist, ein unschuldiges Kind zu töten, dann ist sie ganz offensichtlich eine schizophrene Paranoikerin mit apokalyptischen Fantasien und einem Schuß Größenwahn. Aber je mand in einem solchen Zustand wäre nicht in der Lage, als Autoritätsfigur zu funktionieren oder die Geschäfte ihrer Sekte zu führen. Nein. Ganz entschieden nicht.«
    »Vielleicht führt jemand anderer die Sekte«, sagte Henry. »Vielleicht ist sie jetzt nur noch eine Galionsfigur, vielleicht wird sie von jemand anderem benutzt.«
    Boothe schüttelte den Kopf. »Es ist verdammt schwierig, einen schizophrenen Paranoiker so zu benutzen, wie Sie das für möglich halten. Dazu sind Leute in diesem Zustand zu unberechenbar. Aber wenn sie wirklich gewalttätig geworden ist, wenn sie angefangen hat, gemäß ihren Prophezeiungen vom Weltuntergang zu handeln, dann braucht sie nicht verrückt zu sein; es könnte auch eine andere Erklärung geben.«
    »Zum Beispiel was?« fragte Charlie.
    »Nun, zum Beispiel... vielleicht sind ihre Anhänger von ihr enttäuscht. Vielleicht ist die Sekte im Begriff auseinanderzufallen, und sie greift zu diesen drastischen Maßnahmen, um ihren Anhängern neuen Schwung zu geben und sie bei der Stange zu halten.«
    »Nein«, sagte Charlie. »Sie spinnt.« Er berichtete Boo von seiner vor kurzem stattgefundenen, makaberen Begegnung mit Grace.
    Boothe war sichtlich erschreckt. »Sie hat tatsächlich Nägel in ihre Hände geschlagen?«
    »Nun, gesehen haben wir es nicht«, räumte Charlie ein. »Vielleicht hat einer ihrer Anhänger den Hammer gehalten. Aber sie hat es sich offensichtlich gefallen lassen.«
    Boo rutschte in seinem Sessel zur Seite, worauf dieser laut ächzte. »Es gibt noch eine Möglichkeit. Das spontane Auftauchen von Kreuzigungsstigmata an den Händen und Fü ßen von Psychotikern mit religiösem Verfolgungswahn ist zwar ein seltenes Phänomen, aber nicht völlig ungewöhnlich.«
    Jetzt staunte Henry Rankin. »Sie meinen, die waren echt? Sie meinen, Gott hat ihr das angetan?«
    »Oh, nein, ich will damit nicht andeuten, daß dies ein echtes heiliges Zeichen oder irgend etwas von der Sorte war. Gott hat damit nichts zu tun.«
    »Freut mich, das zu hören«, erklärte Charlie. »Ich hatte schon Angst, du würdest plötzlich auch in mystische Re gionen eindringen wollen. Wenn es zwei Dinge gibt, die ich bei dir nie erwarte, dann ist eines davon, daß du zum Mystiker wirst, und das andere, daß du anfängst, Ballett zu tanzen.«
    Der besorgte Blick des Dicken hellte sich nicht auf.
    Charlie sagte: »Herrgott, Boo, ich habe schon genug Angst, aber wenn diese Situation dir solche Sorgen macht, dann reicht meine Angst vielleicht noch nicht.«
    »Ich mache mir Sorgen«, sagte Boothe. »Was die Stigma tisierungsphänomene angeht, gibt es einige Hinweise darauf, daß ein Psychotiker in messianischem Wahn eine gewisse Kontrolle über seine Körperfunktionen ausüben kann... über die Gewebestruktur... eine beinahe, nun, psychische

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