Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
die Probe stellen will. Jeder könnte es über sich bringen, den Predigten eines gutaussehenden Geistlichen zu glauben, der das Gesicht Robert Redfords und die Stimme Richard Burtons hat! Aber nur die Rechtschaffenen, nur jene, die wahrhaftig an das Wort glauben wollen, nur diejenigen, die genügend Glauben besitzen, werden das Wort erkennen und es akzeptieren, gleichgültig, wer es vorbringt!«
    Ihr Blut tropfte auf den Tisch. Ihre Stimme war immer lauter geworden und hatte jetzt die Fensterscheiben zum Vi brieren gebracht.
    »Gott stellt euch auf die Probe. Könnt ihr Seine Botschaft hören, ganz gleich, was ihr von den Toten haltet? Ist eure Seele rein genug, daß ihr hören könnt? Oder ist da etwas in euch, das euch verdorben hat, das euch taub macht?« Charlie und Henry waren sprachlos. In ihrer Tirade war etwas Hypnotisches, das einen betäubte und zugleich Aufmerksamkeit forderte.
    »Hört, hört, hört!« sagte sie eindringlich. »Hört, was ich euch sage. Gott hat mich mit diesen Stigmata in dem Augenblick heimgesucht, in dem ihr die Klingel berührt habt. Er hat euch ein Zeichen gegeben, und das kann nur eines bedeuten: Noch seid ihr nicht im Banne Satans, und der Herr gibt euch eine Chance, Buße zu tun. Offenbar ist euch nicht klar, was diese Frau ist, was ihr Kind ist. Wenn ihr es wißt und sie trotzdem schützen würdet, würde Gott euch nicht die Buße anbieten. Wißt ihr, was sie sind? Wißt  ihr es?«
    Charlie räusperte sich, blinzelte, befreite sich von der Benommenheit, die kurz seine Gedanken in den Bann gezogen hatte. »Ich weiß, was Sie glauben, daß sie sind«, sagte Charlie.
    »Nicht, was ich glaube. Was ich weiß. Gott hat es mir gesagt. Der Junge ist der Antichris t. Die Mutter ist die Schwarze Madonna.«
    Charlie hatte nicht damit gerechnet, daß sie so direkt sein würde. Er war sicher gewesen, daß sie jegliches Interesse an Joey ableugnen würde, ebenso wie sie es der Polizei gegenüber getan hatte. Ihre Direktheit verblüffte ihn, und er wußte nicht, was er damit anfangen sollte.
    »Ich weiß, daß Sie dieses Gespräch nicht aufzeichnen«, sagte sie, jetzt wieder mit ganz normalem Tonfall. »Wir verfügen über Instrumente, die ein Tonbandgerät entdeckt hätten. Man hätte mich gewarnt. Ich kann also frei sprechen.
    Der Junge ist gekommen, um die Erde tausend Jahre lang zu regieren.«
    »Er ist bloß ein sechsjähriger Junge«, sagte Charlie, »wie jeder andere sechsjährige Junge.«
    »Nein«, sagte sie und hob wieder die Hände, so daß man das Blut sehen konnte, das aus ihren Wunden trat. »Nein, er ist mehr, schlimmer. Er muß sterben. Wir müssen ihn töten. Es ist Gottes Wunsch, Gottes Werk.«
    »Sie können doch nicht wirklich meinen...«
    Sie fiel ihm ins Wort. »Jetzt, wo Sie es wissen, jetzt, wo Gott Ihnen die Wahrheit klargemacht hat, müssen Sie aufhören, die beiden zu schützen.«
    »Sie sind meine Klienten«, sagte Charlie.
    »Wenn Sie darauf beharren, sie zu schützen, sind Sie verdammt«, sagte die alte Frau besorgt, flehte sie förmlich an. »Wir sind eine Verpflichtung eingegangen...«
    »Verdammt, begreifen Sie nicht? Sie werden in der Hölle rösten, ohne jede Hoffnung. Eine Ewigkeit im Leid verbringen. Sie müssen zuhören, müssen lernen.«
    Er blickte in ihre fiebernden Augen, die ihn mit der Intensität des Berserkers herausforderten. Das Mitleid, das er für sie empfand, mischte sich mit einem Ekel, der es ihm unmöglich machte, mit ihr zu diskutieren. Er begriff, daß es sinnlos gewesen war hierherzukommen. Die Frau war Vernunftgründen nicht mehr zugänglich.
    Er hatte jetzt mehr Angst um Christine und Joey als gestern nacht, als einer von Grace Spiveys Anhängern auf sie geschossen hatte.
    Sie hob ihre blutenden Hände höher. »Dieses Zeichen ist für euch, für euch, und soll euch überzeugen, daß ich wahrhaftig ein Herold bin mit einer wahren Botschaft. Seht ihr?
    Glaubt ihr jetzt? Versteht ihr?«
    Charlie sagte: »Mrs. Spivey, das hätten Sie nicht tun sollen. Wir sind beide keine leichtgläubigen Männer, also war das alles umsonst.«
    Ihr Gesicht verdunkelte sich, und sie ballte die Hände wieder zu Fäusten.
    Und Charlie fuhr fort: »Wenn Sie einen Nagel benutzt haben, der auch nur die geringsten Rost- oder Schmutzspuren hatte, dann hoffe ich, daß Sie jetzt gleich zu einem Arzt gehen und sich eine Tetanusspritze geben lassen. Das könnte sonst sehr gefährlich werden.«
    »Ihr seid mir verloren«, sagte sie mit einer Stimme, die jetzt jeden

Weitere Kostenlose Bücher