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Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Kontrolle, die die Medizin nicht erklären kann. Wie diese indischen Fakire, die auf heißen Kohlen gehen oder sich auf Nagelbretter legen und durch reinen Willensakt Verletzungen verhindern. Grace' Wunden könnten auf dieser Ebene liegen.«
    Henry, der für alles vernünftige Gründe brauchte, für den alles ordentlich und berechenbar sein mußte und der sich ein Universum vorstellte, das ebenso adrett und sauber gebügelt wie seine eigene Garderobe sein sollte, war von die sen Reden über psychische Fähigkeiten sichtlich beunru higt. »Sie können sich selbst zum Bluten bringen, einfach indem sie daran denken?«
    »Wahrscheinlich brauchen sie nicht einmal daran zu denken, wenigstens nicht bewußt«, sagte Boothe. »Die Stigmata sind das Ergebnis eines starken, unbewußten Wunsches, eine religiöse Gestalt oder ein Symbol zu sein, verehrt zu werden oder jedenfalls Teil von etwas Größerem als dem eigenen Ich zu sein, Teil von irgend etwas Kosmischem.« Er faltete die Hände über seinem mächtigen Leib. »Was wissen Sie denn beispielsweise von dem angeblichen Wunder von Fatima?«
    »Nicht sehr viel«, sagte Charlie.
    »Die Jungfrau Maria ist dort einer Menge Menschen erschienen, Tausenden von Menschen«, sagte Henry, »in den zwanziger Jahren, glaube ich.«
    »Eine verblüffende und bewegende göttliche Erscheinung - oder einer der unglaublichsten Fälle von Massenhysterie und Selbsthypnose, die je registriert wurden«, sagte Boo, der sichtlich die zweite Erklärung vorzog. »Hunderte von Leuten berichteten, sie hätten die Jungfrau Maria gesehen, und beschrieben einen turbulenten Himmel, der in allen Farben des Regenbogens strahlte. Unter den Menschen in dieser riesigen Menge entwickelten zwei Leute Kreuzigungsstigmata, die Hände eines Mannes fingen zu bluten an, und an den Füßen einer Frau tauchten Nagelwunden auf. Einige Leute behaupteten, bei ihnen wären spontan in einem Ring um den Kopf winzige Punkturen aufgetaucht, wie von einer Dornenkrone. Es gibt einen dokumentierten Fall eines Zuschauers, der blutige Tränen weinte; eine kurz darauf durchgeführte ärztliche Untersuchung ließ keinerlei Augenschäden erkennen, keine mögliche Quelle für Blutungen. Kurz gesagt, der menschliche Verstand ist immer noch in weiten Bereichen wie ein kartographisch nicht erfaßtes Meer. Es gibt Geheimnisse hier drinnen«, und dabei tippte er sich mit einem seiner Wurstfinger an den Kopf, »die wir vielleicht nie begreifen werden.«
    Charlie fröstelte. Der Gedanke, daß Grace so tief in den Wahnsinn eingetaucht war, daß sie imstande sein sollte, ih ren Körper spontan zum Bluten zu bringen, nur um ihren krankhaften Fantasien Substanz zu verleihen, war unheimlich.
    »Natürlich hast du mit dem Hammer und den Nägeln wahrscheinlich recht«, sagte Boo. »Spontane Stigmatisie rungen sind selten. Grace hat es wahrscheinlich selbst getan oder einen ihrer Leute dazu veranlaßt, es zu tun.«
    Der Regen strömte über die gläsernen Wände, und ein jämmerlich nasser schwarzer Vogel flog auf sie zu, suchte Zuflucht vor dem eisigen Guß, bog aber den Bruchteil einer Sekunde, ehe er gegen die Scheibe prallte, ab.
    Charlie überlegte, was Boothe ihnen über blutige Tränen und geistig ausgelöste Stigmata gesagt hatte, und meinte: »Ich glaube, jetzt sind wir auf die Bedeutung des Lebens gestoßen.«
    »Was?« fragte Boo.
    »Wir sind alle bloß Schauspieler in einem kosmischen Horrorfilm in Go ttes Privatkino.«
    »Könnte sein«, sagte Boo. »Wenn du die Bibel liest, wirst du sehen, daß Gott sich schrecklichere Strafen ausdenken kann, als Tobe Hooper oder Steven Spielberg oder Alfred Hitchcock sich je erträumt haben.«

33
    Als der blaue Dodge mit der Surfszene zum drittenmal am Haus vorbeifuhr, hatte Sandy Breckenstein mit dem Fern glas die Zulassungsnummer entziffert. Während Christine Scavello in die Küche gerannt war, um Max von dem verdächtigen Fahrzeug zu berichten, hatte Sandy Julie Gethers angerufen, die bei Klemet-Harrison die Verbindung zur Polizei hielt, und sie gebeten, Informationen über den Dodge zu besorgen.
    Während er auf Antwort von Julie wartete, stand er angespannt mit dem Fernglas in der Hand am Fenster.
    Binnen fünf Minuten kam der Lieferwagen zum viertenmal, fuhr diesmal den Berg herauf.
    Sandy hob das Glas an die Augen und sah undeutlich zwei Männer hinter der regenüberströmten Windschutzscheibe.
    Sie schienen das Haus zu studieren.
    Dann waren sie wieder weg. Fast wünschte sich Sandy, sie

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