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Todeseis

Todeseis

Titel: Todeseis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernward Schneider
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wolle sich an Bord der Titanic mit jemandem treffen.«
    »Nannte er einen Namen?«
    »Er hätte mir niemals den Namen eines Geschäftspartners genannt.«
    »Wenn es so eine Verabredung gab, wie Sie sagen, dann muss es jemanden an Bord geben, der sich wundert, dass Phil nicht auf dem Schiff ist. Hat sich jemand deshalb an Sie gewandt?«
    Sie zögerte einen Moment, weil sie unversehens an Garfield denken musste, sagte jedoch:
    »Bisher nicht. Jedenfalls hat mich niemand auf Phil angesprochen. Allerdings habe ich meinen Namen in der Passagierliste ändern lassen. Es könnte sein, dass der Betreffende gar nicht weiß, dass ich eigentlich Phils Reisebegleiterin bin.«
    »Inzwischen hat er es offenbar herausgefunden.«
    Gladys trank den Rest ihres Sherry.
    »Man beobachtet uns«, sagte sie. »Eigentlich macht mir das nichts aus, aber heute spüre ich, dass ich mich unter den Augen all dieser neugierigen Passagiere nicht entspannen kann.« Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen. »Ich werde jetzt gehen. Kommen Sie in einer Viertelstunde in meine Kabine. Ich warte dort auf Sie. Ich habe für uns etwas vorbereitet.«
    Er sah sie an, und sie erwiderte für einen Moment seinen Blick, wartete aber nicht darauf, ob er etwas entgegnen würde, sondern erhob sich augenblicklich von ihrem Hocker und verließ das Lokal.
    In ihrer Kabine tauschte sie ihr Kostüm gegen eines ihrer freizügigen Kleider, und auf Unterwäsche verzichtete sie ganz. Dann öffnete sie den Wein und füllte ihn in eine Karaffe, setzte sich an den Tisch und wartete auf ihren Gast.
    Sie hatte auch an diesem Nachmittag von dem Kräutersaft getrunken, den sie regelmäßig bei einer Londoner East-End-Hexe kaufte. Sie hatte der Versicherung der Alten, der Sud schütze zuverlässig vor Schwangerschaften, nur halbherzig vertraut und deshalb in den fruchtbaren Tagen zwischen zwei Eisprüngen den Geschlechtsverkehr nach Möglichkeit vermieden. Beim Nachrechnen auf den heutigen Abend war sie zu dem Ergebnis gekommen, dass sie sich mitten in der Empfängniszeit befand, und auch ihr leidenschaftliches Verlangen nach geschlechtlicher Lust wies darauf hin, dass sie die Wirksamkeit des Kräutersuds in dieser Nacht ganz besonders brauchte. Das erste Mal in ihrem Leben bekümmerte es sie nicht, ob der Saft wirksam war oder nicht und der Verkehr Folgen haben könnte. Auf keinen Fall wollte sie auf einen vollständigen Beischlaf mit Roger verzichten, und wenn sie in sich hineinhorchte, musste sie sich sogar eingestehen, dass sie tief in sich den Wunsch verspürte, dieser Mann möge ein Kind mit ihr zeugen. Die Minuten strichen dahin. Trotz aller heimlichen Zweifel an seinen Intentionen war sie ziemlich sicher, dass Carran kommen würde.
    Es verging eine Viertelstunde, dann klopfte es an der Kabinentür. Sie öffnete die Tür – und wich überrascht ein Stück zurück. Vor ihr stand Nevil Boyes, der Kabinensteward.
    »Darf ich Sie einen Moment sprechen, Madam?«
    »Nein«, rief sie und schlug ihm die Tür vor der Nase zu.
    Sie lehnte sich von innen mit dem Rücken an die Tür. Gladys, bleib ruhig, dachte sie, etwas Geduld solltest du haben. Draußen blieb alles still. Nevil war offenbar weitergegangen. Was er wohl von ihr gewollt hatte, überlegte sie, während sie noch immer mit dem Rücken gegen die Kabinentür lehnte. Wahrscheinlich hing es mit dem Diebstahl zusammen; vielleicht hatte er einen Verdacht; wie auch immer, es war ihr im Moment völlig egal.
    Fünf Minuten verstrichen, ohne dass sie sich von der Tür fortbewegte, dann klopfte es erneut. Sie schrak zusammen, denn sie hatte auf dem Gang keine Schritte gehört. Aber wahrscheinlich wurden sie durch die Teppiche so gut gedämpft, dass sie in der Kabine nicht zu vernehmen waren.
    »Wer ist da?«, rief Gladys durch die geschlossene Tür.
    »Roger Carran!«, kam es zurück.
    Sie riss die Tür auf. Er war es – diesmal war er es wirklich. Sie strahlte ihn an, und einen Moment lang schien ihr, als wollte er nach ihr greifen, doch seine britische Art gewann die Oberhand und hielt ihn zurück.
    »Darf ich eintreten?«, fragte er mit unbewegtem Gesicht.
    »Kommen Sie! Sie haben mich ziemlich lange warten lassen.« Sie schloss die Tür hinter ihm. »Möchten Sie ein Glas Wein? Nehmen Sie doch Platz!«
    Sie setzten sich einander gegenüber an den kleinen Tisch, und Gladys schenkte den Wein aus der Karaffe in die bereitgestellten Gläser.
    »Hier sind wir ungestört«, sagte Gladys mit einem Schmunzeln und hob ihr Glas.
    »Es sei

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