Todesengel: Roman (German Edition)
dass der’s auch mal lernt, oder?«
»Er heißt Markus«, erwiderte Melanie pikiert.
»Markus Matschi. Sag ich doch.«
»Du bist kindisch.«
Ingo ging die Hängemappen durch. »Nein, ich hab einfach ein schlechtes Gedächtnis. Dafür kann ich doch nichts.«
»Neci«, erklärte Melanie ernst. » Professor Neci.«
»Klingt wie Netti «, befand Ingo, zog ein Blatt heraus, überflog es und ließ es wieder zurück in die Mappe rutschen. »Ich glaube, so kann ich’s mir endlich merken.«
»Und? Wann kommst du?«, fragte Melanie inquisitorisch.
»Heute nicht.«
»Ingo!« Dem Panikgrad in ihrer Stimme nach zu urteilen, plagte sie sich schon mindestens zwei Stunden mit dem Papagei herum. »Macho ist raus in den Hausflur! Er sitzt oben auf dem Querbalken und quasselt ohne Pause!«
Das war Machos Lieblingsplatz. Vielleicht, weil es dort ein Fenster gab, durch das man eine gute Aussicht über die Stadt haben musste.
»Lass ihn doch.« Ingo nahm sich die nächste Mappe vor. Sein Ordnungssystem ließ wirklich zu wünschen übrig.
»Und wenn er da oben verdurstet? Ich hab gestern Abend vergessen, seinen Trinkautomat nachzufüllen. Das heißt, er hat vielleicht seit einem Tag nichts mehr getrunken!«
Kein Wunder, dass er abgehauen ist, dachte Ingo und schüttelte den Kopf. »Tiere verdursten nicht. Die können auf sich aufpassen.«
»Macho nicht. Der ist ein Opfer der Zivilisation. Das Leben in Gefangenschaft hat seine Instinkte verkümmern lassen.«
»Tja«, meinte Ingo, der endlich gefunden hatte, was er suchte. »Ich hab jedenfalls keine Zeit. Ein dringender Auftrag.«
Er hörte Melanie schnauben. »Das ist mal wieder typisch. Deine Arbeit war dir schon immer wichtiger als alles andere.«
»Entschuldige, dass ich keine reichen Eltern habe, die ich mal beerben werde.« Er klemmte den Hörer zwischen Ohr und Schulter, faltete das Blatt sorgsam zusammen und schob es in das vorderste Fach seiner Tasche.
»Das war schon immer das Problem mit uns«, lamentierte Melanie weiter.
»Was? Dass ich keine reichen Eltern habe?«
»Nein. Dass du dich der Diskussion entziehst, sobald es unangenehm wird.«
»Ich weiß nicht, was das Problem mit uns war, aber das war es jedenfalls nicht.«
»Du wirst es nie einsehen, oder?«
Ingo ließ den Verschluss der Tasche zuschnappen. »Muss ich auch nicht, stell dir vor. Deswegen haben wir uns ja getrennt, und du hast dir deinen Professor Matschi geangelt. Der steht dir sowieso besser, ehrlich. Ruf ihn an. Wenn er jetzt noch deinen Vogel in den Griff kriegt, ist er der ideale Mann für dich.«
»Du enttäuschst mich, Ingo!« In ihrer Stimme irrlichterte blanke Panik.
»Wie immer. Tschüss«, sagte Ingo und legte auf. Dann machte er, dass er loskam, und schaffte es, aus der Wohnungstür zu sein, ehe das Telefon wieder klingelte. Auf dem Weg die Treppe hinunter schaltete er sein Handy ab.
Die Leute von der Spurensicherung waren bereits am Einpacken, als Ingo ankam. »Sie sind spät dran«, lachte ihn eine Frau aus, die eine Stupsnase hatte und Rundungen, die auch der weiße Ganzkörperanzug nicht verbergen konnte. »Ihre Kollegen haben uns alle schon vor acht Uhr belästigt.«
Ingo nickte nur und machte, dass er die Treppe hinabkam. Unten auf dem Bahnsteig fand er einen Beamten, der eine Spur auskunftsfreudiger war. »Der Tatort wurde von der Schutzpolizei nach dem Auffinden der Tatbeteiligten bis zu unserem Eintreffen gesichert«, erklärte er steif, während er Absperrband aufwickelte. Es klang auswendig gelernt; die üblichen Sprüche im Polizeideutsch. »Bei der Bergung der noch lebenden Person standen gesundheitliche Aspekte im Vordergrund. Mit der erkennungsdienstlichen Tätigkeit wurde unmittelbar danach begonnen.«
»Und Sie sind erst jetzt fertig geworden?«, wunderte sich Ingo. Der Vorfall lag wie lange zurück? Zwölf Stunden?
Der grauhaarige Mann sah ihn tadelnd an. »Fertig waren die Kollegen von der Nachtschicht gegen ein Uhr zwanzig. Die weiträumige Absperrung des Tatortes wurde routinemäßig aufrechterhalten für den Fall, dass die Laboruntersuchungen weiteren Handlungsbedarf entstehen lassen. Heute früh ab etwa fünf Uhr konzentrierte sich eine zweite Aktion auf die Suche nach der Tatwaffe. Die Zeit bis zum Beginn des Linienverkehrs auf dieser Strecke wurde genutzt, um die Schienen abzusuchen.«
»Und? Haben Sie sie gefunden?«
»Dazu kann ich aus ermittlungstaktischen Gründen nichts sagen«, erwiderte der Beamte. »Im Übrigen darf ich Sie für Fragen an
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