Todesengel: Roman (German Edition)
berechtigt, ist aber heute nicht mehr angebracht.
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Im Roman gibt es die Theorie, dass es sich in der Medienberichterstattung hauptsächlich um die Täter dreht. Für die Opfer scheint sich niemand zu interessieren. Wie sehen Sie das?
Das trifft leider für bestimmte Opfergruppen zu. Mit einer jungen Frau, die auf brutalste Weise vergewaltigt wird, beschäftigen sich die Medien viel, wenn sie den Mut und die Kraft hat, ihr Schicksal der Öffentlichkeit zu erzählen. Auch verletzbare Gruppen, wie Kinder, werden gern in den Mittelpunkt gestellt. Dagegen sind Ausländer als Opfer in der Medienberichterstattung Sonderfälle, wie beispielsweise die Opfer der NSU. Ein Mitarbeiter von uns hat herausgearbeitet, welche Opfergruppen es bis in die Tagesschau schaffen. Das waren nur die ganz spektakulären Sonderfälle – zum Beispiel kleine Mädchen, die auf einer öffentlichen Toilette vergewaltigt werden. Aber die große Mehrheit der Opfer, ältere Menschen, Erwachsene, Ausländer bleiben im Schatten. Brutale Täter geraten eher ins Licht der Scheinwerfer. Spektakuläre Opfergeschichten, wie Jonny K oder Dominik Brunner, waren vor ein paar Jahren noch seltener zu sehen. Erst allmählich gibt es jetzt eine Änderung der Blickrichtung der Medien, dass sie sich nämlich zunehmend auch der Opfer annehmen.
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Aber hilft es den Opfern im Mittelpunkt der Medien zu stehen?
Das kommt darauf an. Einigen hilft es, wenn sie ihre Geschichte erzählen – auch in finanzieller Hinsicht. Da gibt es auch nichts zu kritisieren. Es kann neben dem Schaden ein willkommener Ausgleich sein. Aber das ist selten. Die starke emotionale Berichterstattung über die Opfer hat aber wiederum die Politik motiviert, sich ihnen stärker zuzuwenden. Beispielsweise Beiträge über Frauen, die immer und immer wieder von ihren Männern verprügelt werden und die Trennung aus eigenem Antrieb nicht schaffen, haben die Medien zum Thema gemacht und daraus ist das Gewaltschutzgesetz entstanden. Die Politik hat begriffen, dass das so nicht weitergehen kann, und auf einmal geht die Gewalt gegen Frauen drastisch zurück, weil die prügelnden Männer damit rechnen müssen, dass sie ein Wohnungsbetretungsverbot von bis zu einem halben Jahr bekommen. Dadurch haben Frauen Abstand, können zu Kräften kommen, die Scheidung einleiten. So was ist durch die gezielte Berichterstattung über Opfer mit auf den Weg gebracht worden. Meine Kritik richtet sich nur dagegen, dass die Medien primär das bringen, was sich gut verkaufen lässt, was schlagzeilenträchtig ist, was bei den Leuten Gefühle anspricht. Und dafür eignen sich nicht viele Fälle, sondern es werden die rausgepickt, die sich besonders gut auf der Titelseite machen.
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»Jemanden gegen einen Angriff zu schützen, notfalls mit Gewalt, ist Notwehr.« Dieser Satz fällt im Roman. Wie verhält man sich in solch einer Lage richtig?
Es ist wichtig, die Machtverhältnisse richtig einzuschätzen. Wenn ich sehe, dass jemand von fünf Leuten angegriffen wird, muss ich wissen, dass ich in dieser Situation nicht einschreiten kann. Ich kann auch helfen, indem ich die Polizei rufe. Macht man gar nichts, ist das unterlassene Hilfeleistung, wenn zuzumuten war, dass man zumindest die Polizei hätte rufen können. Das Allerwichtigste in solchen Situationen – und es ist wissenschaftlich bewiesen, dass es so ist – lautet: Nicht alleine den Helden spielen, sondern immer nach Partnern suchen. Wenn Sie eine Gewalttat beobachten, suchen Sie sich Menschen, die in der Nähe sind, schauen Sie ihnen in die Augen und bitten um Mithilfe. So haben Sie die Chance, Helfer zu finden, die bereit sind, mit Ihnen gemeinsam einzugreifen. Es braucht einen Mutigen, der anderen in die Augen schaut und um Mithilfe bittet – dann verlaufen solche Situationen ganz anders. Viele Leute sind plötzlich wachgerüttelt und verhalten sich dann couragiert.
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Würden Sie Selbstverteidigungskurse unterstützen? Oder denken Sie, dass die Gewalt dadurch zunimmt?
Nein, solche Kurse halte ich für richtig. Sie machen einen mutiger und handlungsfähiger. Man tritt selbstbewusster auf und bekommt eine ganz andere Körperhaltung. Das hat auch zur Folge, dass man für potenzielle Angreifer nicht mehr als ideales Opfer angesehen wird. Auch wenn man die gelernten Techniken dann im Ernstfall doch nicht zur Anwendung bringt, bedeutet die veränderte Körpersprache schon etwas mehr Schutz.
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Im Roman gibt es eine Person, die behauptet, dass jeder Mensch
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