Todesengel
derartigen Anweisung ist mir nichts bekannt.«
»Das ist schon möglich«, entgegnete David. »Dann erteile ich eben jetzt die Anweisung.«
Die Krankenschwester eilte aus dem Raum. Angela begann Nikkis Sachen zusammenzupacken, und David half ihr beim Anziehen.
Ein paar Minuten später stand Janet Colburn in der Tür; sie hatte zur Verstärkung einige Schwestern mitgebracht. »Dr. Wilson«, rief sie. »Was um Himmels willen machen Sie da?«
»Das liegt doch wohl auf der Hand, oder?« gab David zurück.
Im selben Augenblick betrat Dr. Pilsner das Zimmer. Janet hatte ihn ausrufen lassen. Er bat die beiden inständig, Nikki nicht voreilig mit nach Hause zu nehmen; sie müsse noch eine Zeitlang mit Antibiotika versorgt werden. Außerdem sei der Atemtherapeut des Krankenhauses hervorragend und könne sicher viel zu ihrer Genesung beitragen.
»Tut mir leid, Dr. Pilsner«, sagte David. »Ich werde Ihnen das später erklären. Im Moment haben wir wirklich keine Zeit, um Ihnen die Gründe für unser Handeln darzulegen.«
Auf einmal stand auch Helen Beaton im Zimmer. Sie war ebenfalls von den Schwestern benachrichtigt worden, und es war unübersehbar, daß sie vor Wut kochte. »Wenn Sie den Rat von Dr. Pilsner in den Wind schlagen und das Kind mit nach Hause nehmen, werde ich eine gerichtliche Entscheidung beantragen«, ereiferte sie sich. »Das können Sie gerne machen«, entgegnete Angela, »aber jetzt werden wir erst einmal gehen.« Auf dem Nachhauseweg löcherte Nikki ihre Eltern mit Fragen; sie wollte unbedingt wissen, warum sie das Krankenhaus so plötzlich hatte verlassen müssen. Natürlich freute sie sich riesig, daß sie nach Hause durfte, doch sie hatte auch mitbekommen, daß ihre Eltern sich ziemlich merkwürdig verhielten. Aber als sie dann die Haustür öffneten und Rusty ihn entgegensprang, war Nikki so aus dem Häuschen, daß sie nicht mehr weiterbohrte. Nachdem sie eine Weile mit Rusty gespielt hatte, machten sie ihr im Wohnzimmer auf dem Sofa ein Bett, um ihr die Infusionskanüle wieder anzulegen. Sie wollten den Rat von Dr. Pilsner befolgen und die Behandlung mit Antibiotika fortsetzen.
Calhoun blieb noch bei den Wilsons und versuchte sich nützlich zu machen. Als Nikki ihn bat, ein Kaminfeuer anzuzünden, ging er in den Keller und holte Holz. Doch es entsprach einfach nicht seinem Wesen, noch länger über die spannenden Ereignisse zu schweigen. Wenig später geriet er mit David aneinander; sie konnten sich nicht einigen, welches Motiv hinter dem Mord an Hogdes steckte. Während Calhoun weiterhin darauf beharrte, daß der Vergewaltiger Hodges umgebracht hatte, war David fest davon überzeugt, daß der wahnsinnige »Todesengel« der Täter gewesen sein müßte.
»Zum Kuckuck!« erzürnte sich Calhoun. »Ihre ganze Theorie basiert doch nur auf Vermutungen. Sie haben keinerlei Beweise. Da ist meine Theorie doch um einiges glaubwürdiger: Immerhin hat Hodges genau an dem Tag, an dem man ihn zur Strecke gebracht hat, vor einem Saal voller Menschen herumposaunt, daß er wisse, wer der Vergewaltiger sei. Gibt das als Motiv nicht mehr her als Ihre Behauptungen? Hinzu kommt, daß Clara es durchaus für möglich hält, ihr Mann könnte den potentiellen Täter aufgesucht und ihn auf die Verbrechen angesprochen haben. Ich bin fest davon überzeugt, daß die Vergewaltigungen und der Mord auf das Konto von ein und derselben Person gehen. Worum wollen wir wetten?«
»Ich wette grundsätzlich nicht«, erwiderte David. »Aber ich glaube trotzdem, daß meine Theorie stimmt. Als Hodges totgeschlagen wurde, hielt er die Einweisungspapiere seiner Patienten in der Hand. Das kann doch kein Zufall sein!«
»Es könnte doch auch sein, daß alle Verbrechen von ein und derselben Person begangen worden sind«, warf Angela ein. »Der Vergewaltiger könnte sowohl die Patienten als auch Hodges umgebracht haben, oder?« Dieser Gedanke brachte David und Calhoun für einen Augenblick zum Schweigen.
»Möglich ist das durchaus«, erwiderte David schließlich. »Es klingt zwar verrückt, aber inzwischen bin ich bereit, beinahe alles zu glauben.«
»Da haben Sie recht«, fügte Calhoun hinzu. »Ich jedenfalls werde weiterhin unserer heißesten Spur nachgehen, und das ist die Tätowierung. Sie wird der Schlüssel zur Auflösung des Rätsels sein.«
»Und ich werde die medizinischen Unterlagen noch einmal genauestens studieren«, sagte David. »Vielleicht gehe ich mal bei Dr. Holster vorbei. Immerhin könnte es ja sein, daß ihm
Weitere Kostenlose Bücher