Todesengel
aber es war ordentlich und sauber. Calhoun stand im Wohnzimmer. Auf dem Couchtisch entdeckte er einen Stapel mit Zeitungsausschnitten über Jack Kevorkian, dem berüchtigten »Selbstmord-Doktor« aus Michigan. Daneben lagen weitere Artikel und Berichte zu dem Thema Beihilfe zum Selbstmord.
Calhoun grinste, als ihm sein Gespräch mit David und Angela einfiel; er hatte ihnen ja prophezeit, daß ein paar seltsame Dinge zutage kommen würden, wenn sie die Gruppe ihrer Tätowierten näher unter die Lupe nahmen. Calhoun öffnete die Tür zum Schlafzimmer. Auch dieser Raum war tadellos aufgeräumt. Er nahm sich zuerst die Kommode vor, um nach Fotos zu suchen; doch er fand kein einziges. Danach öffnete er den Schrank. Entgeistert starrte Calhoun auf eine ganze Kollektion von Utensilien, die man für Fesselspiele benötigte. Die meisten Teile waren aus schwarzem Leder und mit Stahlnieten verziert; daneben lagen einige Ketten. Auf einem der Regalböden stapelten sich Sexzeitschriften und pornographische Videokassetten.
Calhoun verließ das Schlafzimmer und ging über den Flur in Richtung Küche. Dabei hielt er weiterhin nach Fotos Ausschau. Er hoffte, ein Bild zu entdecken, auf dem man Clydes Tätowierung sehen konnte. An der Kühlschranktür hingen zwar etliche Fotos, die von kleinen Magneten gehalten wurden, doch auf den Bildern schien niemand eine sichtbare Tätowierung zu haben. Außerdem wußte Calhoun ja nicht einmal, wie Clyde überhaupt aussah.
Calhoun wollte gerade ins Wohnzimmer zurückgehen und sich den Schreibtisch vornehmen, als er im Erdgeschoß eine Tür ins Schloß fallen hörte. Gleich darauf vernahm er Schritte auf der Treppe.
Er überlegte kurz, ob er weglaufen sollte, doch dann beschloß er, nicht zu fliehen, sondern die Wohnungstür aufzureißen, um demjenigen, der sie von außen öffnen wollte, einen gehörigen Schrecken einzujagen. »Clyde Devonshire?« fragte Calhoun in einem scharfen Ton.
»Ja«, erwiderte Clyde. »Was, zum Teufel, geht hier vor?«
»Mein Name ist Phil Calhoun«, sagte der Detektiv und hielt Clyde seine Visitenkarte hin. »Ich habe auf Sie gewartet. Kommen Sie rein.« Clyde warf einen Blick auf das Kärtchen. »Sie sind Privatdetektiv?« fragte er. »Ja«, erwiderte Calhoun. »Früher war ich mal Polizist, aber dann kam der Gouverneur zu der Auffassung, daß ich zu alt für den Beruf sei. Seitdem bin ich Privatdetektiv. Da ich warten wollte, bis Sie nach Hause kommen, habe ich es mir solange bei Ihnen gemütlich gemacht. Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen.«
»Mein Gott, Sie haben mich zu Tode erschreckt«, sagte Clyde, während er seine Hand auf seine Brust legte und erleichtert seufzte. »Ich bin es nicht gewohnt, nach Hause zu kommen und zu sehen, daß sich bereits jemand in meinem Apartment niedergelassen hat.«
»Tut mir leid«, entgegnete Calhoun. »Vielleicht hätte ich besser auf der Treppe warten sollen.«
»Das wäre aber verdammt unbequem gewesen«, sagte Clyde. »Nehmen Sie Platz. Darf ich Ihnen irgend etwas anbieten?«
Clyde ließ seine Tasche auf das Sofa fallen und ging in die Küche. »Ich habe Kaffee und Limonade.«
»Haben Sie vielleicht auch ein Bier?« fragte Calhoun, bevor Clyde seinen Satz beenden konnte. »Klar«, kam es aus der Küche zurück. Während Clyde das Bier aus dem Kühlschrank holte, warf Calhoun einen verstohlenen Blick in die Tasche. Darin befanden sich Schmuddelvideos vom gleichen Kaliber, wie Calhoun sie auch schon im Kleiderschrank entdeckt hatte. Clyde kam mit zwei Flaschen Bier ins Wohnzimmer. Er sah sofort, daß Calhoun seine Tasche geöffnet hatte. Als er die Bierflaschen auf den Tisch gestellt hatte, nahm er seine Tasche und zog den Reißverschluß wieder zu. »Hab’ mir ein paar Videos zur Unterhaltung geholt«, sagte er.
»Das hab’ ich gesehen«, erwiderte Calhoun. »Sind Sie ein ganz normaler Hetero?« fragte Clyde. »Ich bin überhaupt nichts mehr. Ich habe mit dem Thema abgeschlossen«, erwiderte Calhoun und sah sich seinen Gastgeber nun etwas genauer an. Clyde war etwa dreißig Jahre alt, mittelgroß, und er hatte braunes Haar. Er sah so aus, als habe er in der Football-Mannschaft seiner High School eine gute Figur als Stürmer abgegeben. »Dann schießen Sie mal los mit Ihren Fragen. Was wollen Sie von mir wissen?« fragte Clyde, während er Calhoun ein Bier reichte.
»Kannten Sie Dr. Hodges?« fragte Calhoun. Clyde lachte einmal verächtlich auf. »Warum um Himmels willen wollen Sie denn etwas über diesen
Weitere Kostenlose Bücher